Archiv des Autors: Gerhard Hippmann

Swipe+ride – der eTarif des MVV im Alltagstest

von Gerhard Sailer für UNSER DORF heute

„Wisch und weg“ wäre so ein schöner Slogan gewesen für dieses Tarifangebot des MVV, ist aber leider schon lange geschützt, als Werbebotschaft für ein Küchentuch. Also musste es mal wieder Englisch sein und der MVV wirbt mit „swipe+ride“ für das Pilotprojekt zu einem elektronischen Tarif (kurz: eTarif).

Solange ich berufstätig war, hatte ich immer eine Karte für das gesamte Tarifgebiet. Doch dann kam der Ruhestands-Schock: Einzelticket oder Streifenkarte? Welche Zone brauche ich? Oder doch das Tagesticket? Karte kaufen und entwerten nicht vergessen! Als dann im letzten Sommer vorübergehend das 9€-Ticket kam, wurde mir bewusst, wie einfach und günstig öffentlicher Nahverkehr sein könnte, nein, sein müsste!

Dann wurde ich auf dieses swipe+ride aufmerksam und ich beschloss, es zu testen. Klang nach „einfacher“ und vielleicht sogar „günstiger“. Vor allem dieses „einfacher“ wäre für mich, der ich jetzt nur noch Gelegenheitsnutzer des MVV bin, ein wichtiges Argument, um meine Wege öffentlich zurückzulegen und das Auto stehen zu lassen!

Also registriere ich mich als Pilotkunde, erhalte einen Zugangscode, lade mir die kostenlose FTQ Lab-App auf mein Smartphone und richte ein Zahlungsmittel ein (Kreditkarte oder SEPA-Lastschrift). Jetzt findet die App die jeweils nächstgelegene Haltestelle und bevor ich einsteige brauche ich nur einen grünen Start-Knopf von links nach rechts wischen, schon habe ich ein gültiges Ticket. Beim Umsteigen brauche ich nichts zu machen, erst nach dem Aussteigen ziehe ich einen roten Stopp-Knopf von rechts nach links und kurze Zeit später erscheint eine Übersicht meiner Fahrt mit dem berechneten Preis, der sich aus einem Grundpreis für jede Fahrt und aus einem Preis für jeden zurückgelegten Luftlinien-Kilometer zusammensetzt.

So gerüstet breche ich zu meiner ersten Fahrt nach München auf und, oje: „berechneter Preis: 12,40 €“! Das Tagesticket hätte nur 10,10 € gekostet. Dabei profitiere ich sogar noch vom sogenannten „Tagesdeckel“, das ist der Höchstsatz, den das System für Fahrten an einem Tag berechnet. Nach drei weiteren Fahrten muss ich im November insgesamt 21,94 € bezahlen, die günstigste Variante im Normaltarif hätte nur 17,70 € gekostet.

Mich tröstet ein fröhlicher Hinweis des Systems: Da ich mindestens vier Fahrten zurückgelegt habe, darf ich im Folgemonat mit einem Rabatt von 10% rechnen! Ab 6 Fahrten gibt es 20% und ab 8 Fahrten sogar 30% Rabatt im Folgemonat. Tatsächlich zahlt sich das in der Monatsrechnung für Dezember aus: Für 10 Fahrten muss ich 24,61 € bezahlen, 3,88 € weniger als in der günstigsten Variante des Normaltarifs und sogar 6,49 € weniger, als wenn ich mit Einzelfahrkarten unterwegs gewesen wäre.

Endgültig versöhnt mich der Januar mit der Preisgestaltung des eTarifs. 30% Rabatt führen dazu, dass ich 5,79 € gegenüber der günstigsten Variante des Normaltarifs spare. Damit dreht auch die Quartalsabrechnung um 5,43 € ins Plus!

Gespannt warte ich darauf, kontrolliert zu werden. Tatsächlich können die Kontrolleure das Ticket problemlos ablesen. Lustig: genau für diese Fahrt von Gilching nach Weßling werden mir 0,00 € berechnet! Ein Versehen? Die nächste Sorge ist, was wohl passiert, wenn ich das Auschecken vergesse. Doch die App erinnert mich, und das Missgeschick bleibt folgenlos. Gestern gab es dann wieder eine Überraschung: Für Weßling-Marienplatz und Marienplatz-Unering gibt es den Tagesdeckel von 8,70 € (vorgesehen eigentlich nur für Strecken bis 20 km) statt 13,30 €. Abzüglich 30 % Rabatt kostet diese Fahrt also nur 5,19 €! Ich überlege noch: Einfach freuen oder „ein Problem mit dieser Reise melden“, wie es die App auch nach jeder Fahrt anbietet?

Mein Fazit: Mit swipe+ride wird das Fahren mit Bus und Bahn echt einfacher. Man hat einfach sein Ticket immer dabei und muss nicht mehr mit dem verwaschenen Bildschirm der Automaten kämpfen. Es stellt sich sogar ein kleiner „Suchtfaktor“ ein, der dazu führt, dass der größtmögliche Rabatt locker erreicht und damit auch gespart werden kann. Und: Das Auto bleibt jetzt jedenfalls noch öfter stehen!

Buslinien sind attraktiv – wenn sie flexibler und sparsamer werden

Leserbrief zum Beitrag Eine Notlösung mit Zukunft in der Süddeutschen Zeitung vom 14. März 2023

Ja, es ist eine tolle Lösung, die abendlichen Fahrten auf der Linie 955 nicht einfach ausfallen zu lassen, weil dem Busunternehmer Fahrer fehlen, sondern ein Taxi zu schicken, das immerhin acht Fahrgästen Platz bietet. Auch wir haben diesen Service schon gerne in Anspruch genommen. Alleine saßen wir übrigens nie im Fahrzeug, einmal war es sogar bis auf den letzten Platz gefüllt! Das Taxi fährt also in aller Regel nicht leer durch die Gegend.

Schön wäre es allerdings, wenn an den Haltestellen darauf hingewiesen würde, dass abends der Bus durch ein Taxi ersetzt wird. Das würde so manche Verunsicherung ersparen. Und endlich könnte doch auch das Problem gelöst werden, dass der Bus in Weßling leer abfährt und Fahrgäste in die Röhre schauen, weil die S-Bahn wenige Minuten zu spät ankommt. Könnte man den freundlichen Taxifahrer aber anrufen und ihm mitteilen, dass man noch in der S-Bahn unterwegs ist und wann diese ankommen wird, dann ließe sich so manche nächtliche Wanderung von Weßling nach Hochstadt vermeiden.

Erschreckend ist allerdings, dass es in Zeiten, in denen Energie zu sparen oberstes Gebot sein sollte, nicht möglich ist, bestehende Verträge kurzfristig auf die sparsamere Lösung umzustellen. Schont der abendliche Betrieb mit einem Taxi doch die großen Busse, verbraucht weniger Treibstoff und verursacht weniger CO2-Ausstoß. Es würde sich auch anbieten, nicht nur abends, sondern ebenso an den Wochenenden die Busse durch kleinere Fahrzeuge zu ersetzen.

Aber anstatt schnell zu handeln, gibt man lieber eine Studie in Auftrag, um die Effektivität von Ruftaxen untersuchen zu lassen. Als ob es dazu nicht längst umfangreiche Erfahrungen geben würde. Nein, ein Ruftaxi, das man mindestens 45 Minuten vor Beginn der Fahrt anmelden muss, ist in vielen Fällen keine praktikable Lösung.

Gerhard Sailer
Mobilitätswende Weßling

Rückblick auf das zehnte Jahr

2022 war das zehnte Jahr, in dem sich die Mobilitätswende für nachhaltige Mobilität in der Gemeinde Weßling einsetzte. Einmal mehr wird in diesem Beitrag auf die Geschehnisse zurückgeblickt.

Fahrradschutzstreifen

Anfang April wurde in der nordwestlichen Gautinger Straße der erste Fahrradschutzstreifen in der Gemeinde markiert. Er verläuft einseitig zwischen den Einmündungen der unteren Seefeldstraße und dem Adelbergweg. Abgesehen von zahlreichen Falschparkern bei Badewetter hat sich die Situation im Laufe des Jahres recht gut eingespielt.

Radl Werkstatt

Seit 2015 hat sich die Radl Werkstatt zu einer festen Größe im Angebot der Nachbarschaftshilfe entwickelt. Im vergangenen Jahr erwiesen sich das Reparatur-Team, Angebot und Nachfrage stabil. Am 8. August lud die Radl Werkstatt wieder im Rahmen des Ferienprogramms Schulkinder zum Radlreparaturkurs mit anschließendem Eisessen am See ein. Erfreulich ist auch, dass in Weßling nun regelmäßig ein Repair Café angeboten wird – hierzu hatte die Mobilitätswende schon 2014 Pionierarbeit geleistet.

Radltag

Am 30. April fand beim Seehäusl der vierte Radltag der Nachbarschaftshilfe statt. Trotz teilweise regnerischem Wetter war die Veranstaltung gut besucht. Wie immer stand der Radlflohmarkt im Mittelpunkt, aber auch die Dienste der Radl Werkstatt fanden großen Zuspruch. Außerdem wurden vom ADFC Fahrradcodierung und von der Mobilitätswende Einweisungen für das Lastenpedelec LaRa 1 angeboten.

Kidical Mass

In 2022 gab es erstmalig eine Kidical Mass in Weßling. Am 14. Mai demonstrierten 89 Radler:innen jeden Alters für eine kinder- und radlfreundliche Gemeinde. Bei schönstem Wetter führte die Radldemo mit Pause in Grünsink entlang der wichtigsten Schulwege der neuen Schule. Anschließend versammelte sich die Gemeinschaft auf dem Schulhof Oberpfaffenhofen, wo nach einer kurzen Kundgebung eine Hüpfburg für viel Vergnügen sorgte.

STAdtradeln

Auch das STAdtradeln mobilisiert viele Menschen durch positive Erfahrung. In den drei Wochen vom 27. Juni bis 17. Juli radelten 405 Teilnehmer:innen in 24 Teams 91.626 km für die Gemeinde Weßling. Im Landkreisvergleich siegte die Gemeinde mit 16,6 km einmal mehr mit großem Vorsprung in der Wertung Kilometer pro Einwohner:in. Außerdem radelten zehn Gemeinderatsmitglieder und Bürgermeister Michael Sturm mit 4.047 km auf den ersten Platz der Parlamentarier:innenwertung. Bayernweit belegte Weßling in diesen beiden Wertungen jeweils Rang neun.

AGFK

Am 12. Mai fand die Vorbereisung für den Beitritt der Gemeinde Weßling zur AGFK Bayern statt. Am Vormittag präsentierte Gerhard Hippmann Aktivitäten und Status der gemeindlichen Radverkehrsförderung. Am Nachmittag wurde auf einer Radtour die Situation vor Ort begutachtet. Die Bewertungskommission mit Vertreter:innen der AGFK, des ADFC und des bayerischen Verkehrsministeriums zeigte sich angetan und empfahl die Aufnahme der Gemeinde Weßling in die AGFK. Am 18. Juli wurde die Gemeinde daraufhin aufgenommen und hat nun vier Jahre Zeit, um die Empfehlungen der Kommission umzusetzen. Dann findet die Hauptbereisung statt, deren Ergebnis über die Zertifizierung als fahrradfreundliche Kommune in Bayern entscheidet.

Radentscheid

Selbstverständlich unterstützte die Mobilitätswende tatkräftig die Unterschriftensammlung für die Zulassung des Volksbegehrens für besseren Radverkehr in Bayern. Durch einen Infostand beim Edeka und eine dauerhafte Sammelstelle beim Gasthof Plonner erzielte die Gemeinde Weßling eines der besten Ergebnisse aller bayerischen Kommunen.

Mobilitätstag

Am 16. September veranstaltete die Gemeinde Weßling in Kooperation mit der Mobilitätswende einen Mobilitätstag im Pfarrstadel. Zusammen mit Vertretern von ADFC, VCD, der STEP Mobility GmbH und der Energiegenossenschaft Fünfseenland wurden Informationen über nachhaltige Mobilität präsentiert. Die Veranstaltung schloss mit der STAdtradel-Siegerehrung und einem Kinofilm – eigentlich eine runde Sache, die angesichts der Energiekrise jedoch auf erstaunlich geringes Interesse stieß.

Vierte Verkehrszählung

Im November führte die Mobilitätswende zum vierten Mal eine Verkehrszählung in der Hauptstraße durch. Im Vergleich zu 2019 gab es einen leichten Rückgang des Kfz-Verkehrsaufkommens um 8 % bzw. 15 %, der wahrscheinlich auf vermehrte Arbeit im Homeoffice zurückzuführen ist. Mit durchschnittlich 10.592 bzw. 9.251 Fahrzeugen an Werktagen ist die Verkehrsstärke nun um 39 % bzw. 44 % geringer als im Jahr 2015 vor der Eröffnung der Umfahrung.

Kommunalpolitik

Wie schon im Vorjahr gab es auch in 2022 überwiegend positive Gemeinderatsbeschlüsse und gemeindliche Maßnahmen für nachhaltige Mobilität:

  • Anfang des Jahres wurde ein Gehweg an der Bushaltestelle DLR in Richtung Weichselbaum angelegt.
  • Im Februar wurden in Hochstadt die Steinpoller am Beginn des Geh- und Radwegs nach Oberpfaffenhofen entfernt.
  • Am 16. Februar fand ein Workshop für betriebliches Mobilitätsmanagement in der Gemeinde statt.
  • Am 22. Februar beschloss der Gemeinderat die Errichtung eines automatisch versenkbaren, fahrradfreundlichen Pollers auf dem Weg zwischen Grünsink und der Umfahrung.
  • Im April wurde eine für Radfahrer:innen gefährliche Schwelle auf der Begleitstraße der A96 entschärft.
  • Am 16. April beteiligte sich die Gemeinde Weßling an der Aktion OSTAradeln des Landratsamts.
  • Seit April bietet die Gemeinde ihren Mitarbeiter:innen Fahrradleasing mit Entgeltumwandlung (Jobrad) an, welches sich großer Nachfrage erfreut.
  • Im Mai wurde beim Hort Villa Kunterbunt ein hochwertiger Radlständer errichtet.
  • Im Mai wurden im verkehrsberuhigten Bereich Herbststraße/Winterweg/Walchstadter Weg Bodenpiktogramme aufgebracht.
  • Im Sommer wurde zwischen Ettenhofener Straße und Kesselboden ein für den Radverkehr freigegebener Gehweg gebaut.
  • Am 3. Juli fand eine Willkommensradltour für Neubürger:innen mit dem zweiten Bürgermeister Sebastian Grünwald statt.
  • Am 26. Juli beschloss der Gemeinderat die Einführung von Rathaus-Carsharing.
  • Im Juli wurde beim Hort Villa Kunterbunt ein Rollerständer errichtet.
  • Im August wurden auf dem Geh- und Radweg nach Gilching Ampelgriffe installiert.
  • Im August wurde im Rathaus-Carport ein neuer Fahrradparker errichtet.
  • Im September wurde ein Banner aufgehängt, das auf den Mindestüberholabstand zu Radfahrer:innen aufmerksam macht.
  • Am 27. September beschloss der Gemeinderat den Beitritt zur Initiative Lebenswerte Städte und Gemeinden
  • Im Oktober wurde auf dem Geh- und Radweg nach Gilching die Fahrbahn im Bereich der Unterführung saniert.
  • Am 25. Oktober beschloss der Gemeinderat Sanierung und Neubau der Fahrradabstellanlagen am Bahnhof.
  • Im November wurden vier Bordsteinabsenkungen hergestellt.

Dennoch sorgte der Gemeinderat für ein fatales Rollback. Entgegen positiver Vorentscheidungen konnte eine fraktionsübergreifende Autolobby mit knappen Mehrheiten wichtige Fortschritte verhindern:

Außerdem sprach sich im Oktober die untere Verkehrsbehörde gegen die Markierung eines einseitigen Schutzstreifens in der östlichen Gautinger Straße aus.

Sonstiges

Mit einem Leserbrief zur Berichterstattung über den Geh- und Radweg Allmannshausen-Weipertshausen, einem Brief an den Landrat zur Radverkehrsförderung und Artikeln in UNSER DORF heute über die 15-Minuten-Gemeinde, Straßen für Menschen, den Mobilitätstag und das 1-Euro-Ticket nahm die Mobilitätswende zu verschiedenen Verkehrswende-Themen Stellung.

Fazit

Seit zehn Jahren engagiert sich die Mobilitätswende für nachhaltigere Mobilität in der Gemeinde Weßling. Während dieser Zeit hat sich die Motivation tendenziell verschoben: Peak Oil hat durch neue Fördertechniken (Fracking) vorübergehend an Brisanz verloren. Im Fokus stehen heute Klimakrise und Ressourcenverbrauch, aber auch lebenswerte und diskriminierungsfreie öffentliche Räume. Doch obwohl sich die Situation hinsichtlich planetarer Grenzen und Kfz-Belästigung von Jahr zu Jahr immer weiter zuspitzt, bleiben durchschlagende Erfolge aus. Denn gegen die bald ein Jahrhundert fortwährende, massive Förderung des Kraftverkehrs ist kein Kraut gewachsen: Entfernungspauschale, Dienstwagenprivileg, Steuerermäßigung/-befreiung für Diesel/Flugbenzin, Privilegierung des Kfz-Verkehrs im Verkehrsrecht, gigantischer Neu- und Ausbau von Kfz-Straßen, und nicht zuletzt eine gemeindliche Stellplatzsatzung, durch die im Ort langsam aber sicher für jeden Erwachsenen ein Kfz-Stellplatz gebaut wird, wurden jüngst noch durch Autokaufprämien und Tankrabatt ergänzt. Diese Randbedingungen machen unsere ehrenamtliche Initiative zum Tropfen auf den heißen Stein – und das Zeitfenster für eine gestaltbare Verkehrswende schließt sich allmählich…

Gemeinderat verhindert wirklich fahrradfreundliche Gemeinde Weßling

Die Zertifizierung des autogerechten Landkreises STA als fahrradfreundliche Kommune hatte bei Radler:innen für viel Kopfschütteln gesorgt, weil sie nicht annähernd den Tatsachen entspricht. Die Gemeinde Weßling wollte es besser machen und strebte eine wirklich verdiente Zertifizierung an. Doch dieses Vorhaben wurde im Jahr 2022 durch aus der Zeit gefallene Gemeinderatsbeschlüsse zunichte gemacht.

Verkehrsplanung Grundschule

Die aus Windschutzscheibenperspektive konzipierte Verkehrsplanung für die neue Grundschule wurde bereits in einem eigenen Beitrag gewürdigt. Hier wurde verpasst, eine an der Zukunft ausgerichtete, kindgerechte und fahrradfreundliche Lösung zu realisieren.

Fahrradzone/-straße Pfarrstadel

Bereits im Januar 2018 hatte der Gemeinderat die Einführung zweier Fahrradstraßen befürwortet. Die erste Fahrradstraße zwischen Bahnhofstraße und Meilinger Weg wurde im Juni 2020 eröffnet und hat sich seitdem bestens bewährt.

Fahrradzone Pfarrstadel

Über die zweite Fahrradstraße zwischen Ettenhofener Straße und Steinebacher Weg wurde in der Gemeinderatssitzung am 27. September 2022 beraten. Diese Verbindung ist Teil des landkreisweiten Alltagsradroutennetzes sowie des Radfernwegs München-Bad Wörishofen (Ammersee-Radweg). Hinzu kommt, dass es sich mit Eröffnung der neuen Schule um den am stärksten frequentierten Schulweg handeln wird. Eine Fahrradstraße oder -zone ist hier offenkundig ein geeignetes und kostengünstiges Mittel, um radelnde Schulkinder und begleitende Eltern gegenüber dem Kfz-Verkehr zu stärken und das Nebeneinanderfahren zu gestatten.

Fahrradstraße Pfarrstadel

Doch wie schon bei der Verkehrsplanung für die Schule wurde die Maßnahme von autofreundlichen Rät:innen mit viel Eifer und wenig Sachkunde erfolgreich bekämpft: Bei Abwesenheit dreier radlaffiner Mitglieder wurde dieser wichtige Meilenstein auf dem Weg zur fahrradfreundlichen Gemeinde mit 8:9 Stimmen unerwartet abgelehnt.

Steinebacher Weg

Mit den Verbindungen Oberpfaffenhofen-Unterbrunn, Hochstadt-Unering und Weßling-Steinebach fehlen der Gemeinde Weßling noch drei interkommunale Radwege zur Anbindung an das Alltagsradroutennetz des Landkreises. Da es sich bei den beiden zuerst genannten um Staats- bzw. Kreisstraßen-begleitende Geh- und Radwege handelt, ist die Gemeinde nur für den Steinebacher Weg zuständig und handlungsfähig. Ein alltagstauglicher Ausbau ist hier relativ einfach und ohne Flächenverbrauch durch Asphaltierung des bestehenden Wirtschaftsweges realisierbar, sodass eine sowohl für den Radverkehr, als auch für den landwirtschaftlichen Verkehr optimal funktionierende und langlebige Oberfläche zur Verfügung steht.

Steinebacher Weg im Winter

Mit dem Förderprogramm Radoffensive Bayern wollte die bayerische Staatsregierung in 2022 interkommunale Radwege im Wald und entlang von Bahnlinien voran bringen. Aus 325 eingereichten Projektideen wurde dank monatelangem intensiven und beharrlichen Einsatz der Gemeindeverwaltung der Ausbau des Steinebacher Wegs als eines von 27 Vorhaben ausgewählt. Die damit verbundene Förderzusage von traumhaften 80 % machte es möglich, die geschätzten Kosten für den Ausbau des Abschnitts auf Weßlinger Flur von 139 k€ auf 28 k€ zu senken.

Es ist absehbar, dass der erste, 270 m lange Teilabschnitt bis zur dort entstehenden landwirtschaftlichen Betriebsstätte demnächst ohnehin asphaltiert werden wird. Durch die bewilligte Förderung bestand die einmalige Chance, zu weniger als halb so hohen Kosten den gesamten Weg bis zur Gemeindegrenze auszubauen.

Drei Viertel der amtierenden Gemeinderät:innen gehören Fraktionen an, die im Kommunalwahlkampf 2020 den Bau von Radwegen versprochen haben:

„Durch Ausbau bzw. Einfordern alltagstauglicher Radrouten nach Unterbrunn, Steinebach und Unering wollen wir die Gemeinde zur wirklich fahrradfreundlichen Kommune machen.“
Wahlprogramm Grüne Weßling

„Stärkung des Radverkehrs innerorts und Ausbau der Radwege zu den Nachbargemeinden.“
Ziele Freie Wähler Weßling

„Das Fahrradwege-Netz ausbauen“ und „bestehende Fahrrad- und Fußwege pflegen und auch im Winter nutzbar machen.“
Wahlprogramm SPD Weßling

Dennoch stimmte am 22. November 2022 auch in dieser Sache mit 9:10 eine hauchdünne Mehrheit (bei zwei abwesenden radlaffinen Rät:innen) gegen den alltagstauglichen Ausbau. Als Begründung wurde vorgebracht, dass sich der Seefelder Gemeinderat zuvor dagegen entschieden hatte – wie gewohnt hatte es keine Initiative aus dem Landratsamt gegeben, um die Umsetzung dieser Maßnahme aus dem Alltagsradroutennetzkonzept zu koordinieren. So kam es, dass im Dezember auch noch der Wörthseer Gemeinderat den Ausbau ablehnte, obwohl dort Radler:innen wegen starker Gefälle besonders hoher Sturzgefahr ausgesetzt sind.

Diese drei Fehlentscheidungen haben die bislang erfolgreich verlaufene Umsetzung der fahrradfreundlichen Gemeinde Weßling auf der Zielgerade zu Fall gebracht. Nun ist fraglich, ob es noch in dieser Wahlperiode zur Zertifizierung kommen wird, oder ob diese auf die Amtszeit des folgenden Gemeinderats vertagt wird, in dem es hoffentlich mehr Verständnis und stabile Mehrheiten für die Radverkehrsförderung geben wird.

Mit Karacho in die falsche Richtung

Brief vom 10. April an Landrat Stefan Frey

Sehr geehrter Herr Frey,

haben Sie kürzlich in der SZ das Interview mit dem Klimaforscher Mojib Latif (Leiter der Forschungseinheit Maritime Meteorologie am Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel) gelesen? Er ist skeptisch, ob es noch gelingen kann, die Erderwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen: „Die Welt müsste den Rückwärtsgang einlegen und mit Höchstgeschwindigkeit in die andere Richtung fahren. Denn es ist nicht so, dass die Richtung stimmt und nur das Tempo nicht. Wir fahren in die falsche Richtung.“

Als ich diese Sätze las war mir klar, warum ich solches Bauchgrummeln habe, seitdem ich Herrn Schwarz zugesagt habe, ihn heuer bei der Öffentlichkeitsarbeit für das STAdtradeln zu unterstützen!

Seit elf Jahren beteiligt sich der Landkreis Starnberg nun an der Klimaschutzaktion Stadtradeln und nach wie vor fährt der Landkreis was die Mobilität betrifft ungebremst und mit Karacho in die falsche Richtung! In dieser Zeit wurde der Kfz-Verkehr unter anderem mit dem Bau von vier Ortsumfahrungen, dem sechsspurigen Ausbau der A 96 einschließlich aufwändiger Galerien und dem Baubeginn des Tunnels Starnberg gefördert. Vor allem beim Bau der Umfahrungen wurde nicht nur auf ein begleitendes Konzept für den Fuß- und Radverkehr verzichtet, nein, ganz bewusst wurde in Kauf genommen, dass wichtige Verkehrsverbindungen für Fußgänger und Radfahrer ganz unterbrochen wurden (Mamhofen – Umfahrung Starnberg, Mitterwies – Umfahrung Weßling, Allguth-Tankstelle – Umfahrung Gilching) und an einer Vielzahl weiterer Stellen wesentliche Verschlechterungen eintraten. Zitate Staatliches Bauamt Weilheim zu Mamhofen: „Radfahrer sind hier nicht mehr erwünscht!“ und zur Unterführung beim Kreisverkehr Dellinger Höhe: „Natürlich kann die Unterführung von Radfahrern nur langsam durchfahren werden. … Die neugebaute Straße ist auf Tempo 100 ausgelegt. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung ist nicht angezeigt.“

Stadtradeln ist keine Werbeaktion für den Fremdenverkehr, es ist auch keine Trimm-Dich-Aktion! Stadtradeln ist eine Klimaschutz-Aktion! Wir sind mitten drin in der Klimakrise und auch mitten drin in einer akuten Energiekrise. Das kann beim Verkehr nur eines heißen: Wir müssen viel weniger mit dem Auto fahren und, wenn wir mit dem Auto fahren, muss es viel sparsamer geschehen! Und das betrifft Fahrzeuge mit Elektromotor nicht weniger, als solche mit Verbrennungsmotor.

Viele Stadtradler haben das längst erkannt und zeigen Jahr für Jahr, dass sie bereit sind für eine klimafreundliche Mobilität. Jetzt ist es höchste Zeit, dass der Landkreis den Radverkehr mit konkreten Maßnahmen wirksam fördert und Radfahrer schützt!

Der Landkreis will an einigen wenigen Kreisstraßen Radwege bauen – die ersten drei Kilometer zwischen Unering und Hochstadt sollen Anfang 2024 fertig sein, alle anderen Jahre später. Und bis dahin? Bis dahin nehmen Sie in Kauf, dass auf diesen Straßen – und vielen anderen – täglich Autos mit Tempo 100 und oft mit viel zu geringem Seitenabstand an Radfahrern vorbeifahren und diese gefährden. Warum nicht jetzt schnell handeln?

  • Geschwindigkeit auf Straßen ohne begleitenden Radweg auf 70 km/h begrenzen!
  • An Ortsausgängen auf den Mindestseitenabstand von 2 m hinweisen!
  • Straßen, wie z. B. die Verbindungen Gauting-Gilching, Oberbrunn-Unterbrunn, Rothenfeld-Machtlfing für den Kfz-Durchgangsverkehr sperren!
  • Direkte Verbindungen auf Feld- und Waldwegen, wie z. B. Hochstadt-Starnberg, Weßling-Wörthsee, Drößling-Landstetten alltagstauglich machen!
  • Radschnellwege Starnberg-Fürstenfeldbruck und Freiham-Gilching in Angriff nehmen!

Welche Vorschläge haben Sie? Das STAdtradeln 2022 startet am 27. Juni – womit wollen Sie die Radfahrer dazu motivieren, wieder mitzumachen? Und wie machen Sie den Menschen im Landkreis deutlich, dass Autoverkehr wie bisher in Zukunft nicht mehr möglich sein wird?

Mit freundlichen Grüßen,
Gerhard Sailer