Leserbrief zum Kommentar „Nicht immer und nicht überall“ von Otto Fritscher in der Süddeutschen Zeitung vom 23. Dezember 2015
Gerade einmal seit 10 Tagen sind die neuen Buslinien installiert und die neuen Fahrpläne in Kraft, schon wettert der Kommentator, dass viele Busse noch leer fahren und „kein Anspruch bestehe, immer und überall mit dem Bus hinzukommen“. Aber gemach: So weit sind wir noch lange nicht, dass wir immer und überall mit dem Bus hinkommen. Nur macht es jetzt endlich Sinn, sich ernsthaft mit der Alternative Bus statt Auto zu beschäftigen. Denn als Berufstätiger komme ich halt nicht jeden Tag um fünf aus dem Büro, manchmal wird es auch sieben oder acht und dann brauche ich halt zum Beispiel den 955er Bus um neun Uhr, um von Starnberg Nord oder von Weßling aus nach Hochstadt zu kommen.
Das neue Busnetz ging gleich nach dem Weltklimagipfel in Paris in Betrieb und es gibt uns allen die Chance, die Beschlüsse des Gipfels nicht nur als Vereinbarungen zwischen Staaten zu sehen, sondern als Aufgabe für jeden von uns: Lasst uns wieder intelligentes Mobilitätsverhalten lernen! Das Auto ist von gestern – in Zukunft werden wir zu Fuß, mit dem Fahrrad oder eben mit Bussen und Zügen unsere Ziele erreichen müssen.
Um das zu schaffen sind jetzt zwei Dinge notwendig:
1. Konsequenz: Um beim 955er als Beispiel zu bleiben. Der Bahnhof in Weßling ist jetzt von allen Nachbarorten aus mit Bussen zu erreichen. Konsequenter Weise braucht es dort also jetzt weniger Parkplätze. Lasst uns also die Längsparkplätze in der Bahnhofstraße streichen und so den Platz schaffen, den Busse, Radfahrer und Fußgänger brauchen, um sicher aneinander vorbei zu kommen. Und: Der Bus hält jetzt jede Stunde am Hort in Hochstadt – also muss dort der Gehweg angehoben und verbreitert und die Fahrbahn verengt werden, damit die Kinder sicher zum Bus kommen können. Und: Die Haltestellen brauchen Wartehäuschen als Wetterschutz. Und: Am Bahnhof sollten Leihräder bereit stehen, falls der letzte Bus doch schon mal weg ist. Und, und, und …
2. Vorbilder: Sein Verhalten zu ändern ist schwer. Leichter fällt es, wenn wir anderen nacheifern können. Also braucht es Vorbilder: Der Landrat, der mit dem Bus ins Landratsamt fährt, die Bürgermeisterin ins Rathaus, die Gemeinderäte in die Sitzung, der Pfarrer zur Abendmesse, die Geschäftsführerin in die Firma, der Handwerksmeister in die Werkstatt, die Lehrerin in die Schule, der Reporter in die Redaktion …
Vielleicht würde es dann auch manch Starnberger Grundschuleltern auffallen, dass es intelligenter wäre, wenn sie selbst das Auto stehen ließen und zusammen mit ihren Kindern morgens in den Linienbus stiegen, um zur Arbeit, zur S-Bahn oder zum Einkaufen zu fahren, anstatt trotzig Fahrgemeinschaften zu bilden, weil ja nun der Schulbus nicht mehr fährt. Eltern und Kinder würden mehr Zeit miteinander verbringen und dabei würden die Kinder auch noch selbstständiger und zukunftsfähiger.
Gerhard Sailer
Mobilitätswende Weßling