Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die Aktivitäten und Projekte der Mobilitätswende im vergangenen Jahr 2017.
Radldemo „Verkehrsraum fairteilen”
Am 1. Juli organisierte die Mobilitätswende die Radldemo Verkehrsraum fairteilen. Etwa 150 Radlerinnen und Radler traten mit einem Demonstrationszug von Gilching nach Mamhofen für einen Paradigmenwechsel in der Verkehrspolitik im Landkreis STA mit folgenden Forderungen ein:
- Rad- und Fußverkehr dem Kraftverkehr gleichstellen
- Kraftverkehr reduzieren
- Fahrradfreundlichen Landkreis realisieren
Besonders erfreulich war dabei, dass mit der Bildung des Aktionsbündnisses „Verkehrswende STA” die wichtigsten Organisationen für nachhaltige Mobilität und Lebensweise an einem Strang zogen: Der ADFC Kreisverband STA, die Bund Naturschutz Kreisgruppe STA, der Energiewendeverein STA und der VCD Kreisverband FFB-STA. Enttäuschend war hingegen die geringe Presseresonanz, denn obwohl die unerträglich gewordene Belastung durch den Kfz-Verkehr in den meisten Landkreiskommunen ganz oben auf der Sorgenliste der Bürgerinnen und Bürger steht, wurde die Demo auf eine Lobbyveranstaltung für mehr Fahrradwege reduziert. Die Süddeutsche Zeitung verzichtete sogar komplett auf eine Berichterstattung.
Tempo 30
Es gibt überwältigende, wissenschaftlich untermauerte Argumente für eine Regelgeschwindigkeit von 30 km/h innerhalb geschlossener Ortschaften. Ähnlich wie auf Autobahnen und Landstraßen werden diese aber von der in Deutschland durchregierenden Autolobby ohne vernünftige Begründung erfolgreich marginalisiert. Als kleines Zugeständnis – und zur Vermeidung weiterer Debatten zu diesem Thema – wurde mit der Ende 2016 eingeführten Novelle der Straßenverkehrsordnung wenigstens die Einführung von Tempo 30 im unmittelbaren Bereich von Kindertagesstätten, Schulen, Alten- und Pflegeheimen oder Krankenhäusern erleichtert.
Die Mobilitätswende initiierte daher die Beantragung von Tempo 30 auf der Weßlinger Straße im Bereich des Horts sowie auf der Hauptstraße im Bereich des altersgerechten Wohnhauses durch den Arbeitskreis mobil & lebenswert. In beiden Fällen führte der Antrag im Herbst schließlich zur Einführung von jeweils 300 m langen Tempo-30-Abschnitten. Es ist ein schöner Erfolg des AK mobil & lebenswert, dass diese seit Jahrzehnten geforderten Geschwindigkeitsbegrenzungen endlich durchgesetzt werden konnten. Neu und erfreulich ist in diesem Zusammenhang, dass Gemeinderat und -verwaltung nicht mehr widerstandslos den Empfehlungen von Unterer Verkehrsbehörde, Straßenbauamt und Verkehrspolizei folgen, sondern selbstbewusst die Interessen der Weßlinger Bürgerinnen und Bürger vertreten.
Auch die Realisierung des Ende 2014 von der Mobilitätswende vorgelegten Tempo-30-Konzepts wurde im AK mobil & lebenwert diskutiert. Da sich jedoch die Beantragung einer verwässerten Variante abzeichnete, stellten wir unsere Aktivitäten in dieser Sache vorerst ein.
Fahrradstraßen
Im Juli wurde bekannt, dass die Klassenstufen der Grundschule ab dem Schuljahr 2017/2018 jeweils in einem der beiden Schulhäuser unterrichtet werden. Die Mobilitätswende nahm den dadurch zu erwartenden zusätzlichen Radverkehr durch pendelnde Schulkiner zum Anlass, die Einführung zweier Fahrradstraßen vorzuschlagen. Diese Idee wurde sowohl im AK mobil & lebenswert als auch bei vielen Weßlinger Radlerinnen und Radlern wohlwollend bis begeistert aufgenommen. Wegen der überwältigenden Zustimmung setzte sich die Mobilitätswende federführend dafür ein, einen entsprechenden Gemeinderatsantrag im AK mobil & lebenswert zu erarbeiten und einzureichen. Obwohl es sich um eine für Weßlinger Verhältnisse sehr progressive Maßnahme zur Radverkehrsförderung handelt, kam der Vorschlag mittlerweile auch im Gemeinderat überraschend gut an und wurde einstimmig(!) angenommen.
Bushaltestelle beim Hort
Im Rahmen der Erneuerung von Kanalisation und Fahrbahndecke in der Dorfstraße wurde im Sommer auch die Bushaltestelle beim Hort neu gestaltet. Wie von der Mobilitätswende seit Jahren gefordert und Ende 2016 vom Gemeinderat beschlossen, wurde der Bürgersteig deutlich verbreitert und barrierefrei ausgeführt. Auch die Installation einer Überdachung wurde mittlerweile beschlossen.
Verkehrsberuhigter Bereich
Bereits im Jahr 2015 hatte die Mobilitätswende die Anwohner im Sackgassenbereich Herbststraße-Winterweg-Walchstadter Weg bei der Formulierung und Einreichung eines Gemeinderatsantrags zur Einführung eines Verkehrsberuhigten Bereichs unterstützt. Dieser Antrag fand nicht nur die Zustimmung des Gemeinderats, sondern erstaunlicherweise auch der Verkehrspolizei. Daher gibt es seit November neben dem Höhenrainäcker einen zweiten Verkehrsberuhigten Bereich in Weßling.
Radlständer
Da sich in der Gemeinde Weßling in Sachen Fahrradabstellanlagen von Jahr zu Jahr leider nur sehr wenig tut, hat die Mobilitätswende in 2017 auf einen aktualisierten Radlständervergleichstest verzichtet und stattdessen ein konkretes Projekt angestoßen. Da die Abstellanlage am Schulhaus Weßling im Schuljahr 2016/2017 häufig überlastet war, schlug die Mobilitätswende vor, einen zusätzlichen Radlständer mit Überdachung und Ansperrmöglichkeit zu installieren. Als Ergebnis eines Ortstermins mit Schulleitung, Lehrerinnen, Elternbeiräten und Gemeinderäten erstellten wir eine Grobplanung, die heuer hoffentlich umgesetzt wird.
Radl Werkstatt, Ferienprogramm und freies Lastenpedelec
Der Flüchtlingansturm im Sommer 2015 hat viele hilfsbereite Weßlingerinnen und Weßlinger zusammen gebracht. Aus der Helfergruppe Radl für Flüchtlinge entwickelte sich die Radl Werkstatt, welche sich mittlerweile zu einer festen Institution etabliert hat. Sowohl die Gäste, die sich zu etwa gleich großen Teilen aus Geflüchteten und Einheimischen zusammen setzen, als auch das auf acht Helfer angewachsene Reparaturteam möchten die technisch wie sozial bereichernden Donnerstagabende nicht mehr missen.
Im August führte die Radl Werkstatt im Rahmen des Ferienprogramms der Nachbarschaftshilfe einen Radl-Reparaturkurs für Kinder ab neun Jahren durch. Zwei Mädchen und drei Jungen lernten, wie man einen Platten flickt, um anschließend zum Eisessen zu radeln.
Durch eine Spende aus dem Umfeld von Mobilitätswende, Radl Werkstatt und befreundeten Personen und Firmen gelang es im Sommer außerdem, das schicke Lastenpedelec LaRa 1 anzuschaffen, das seit September von Mitgliedern der Nachbarschaftshilfe kostenlos ausgeliehen werden kann. Pflege und Wartung werden vom Team der Radl Werkstatt übernommen.
STAdtradeln
Im Sommer nahm die Gemeinde Weßling zum siebten Mal am Stadtradeln teil. Mit 322 aktiven Radlerinnen und Radlern, die im dreiwöchigen Aktionszeitraum 62.241 Kilometer zurücklegten, belegte Weßling den beachtlichen dritten Platz im Landkreis. In der Wertung Kilometer pro Einwohner lagen die 19 Weßlinger Teams mit 11,567 Kilometer einmal mehr deutlich vor allen anderen Landkreiskommunen.
Verkehrszählung auf der Hauptstraße
Im November wiederholte die Mobilitätswende die vor zwei Jahren erstmalig durchgeführten Verkehrszählungen auf der Hauptstraße. Beim Gasthof Zur Post und beim Einrichtungshaus Hof Art ergaben sich um 27 bzw. 26 % geringere Verkehrsstärken als vor Eröffnung der Umgehungsstraße. Auch das Geschwindigkeitsniveau war diesmal erfreulicherweise etwas niedriger.
Sonstiges
Im vergangenen Jahr wurden vom AK mobil & lebenswert überdies einige weitere Maßnahmen für den Fuß- und Radverkehr initiiert bzw. beschlossen (Alltagsradroutennetz, Rotmarkierung von Radwegfurten, Bordsteinabsenkungen, Radlständer Freizeitheim), die hoffentlich in den kommenden Monaten realisiert werden. Es ist sehr erfreulich, dass die Mitarbeit im Arbeitskreis zunehmend Früchte trägt. Darüber hinaus beteiligte sich die Mobilitätswende in der Regel an den monatlichen Treffen der AG Radverkehr.
In einigen Leserbriefen sowie Artikeln für UNSER DORF heute hielt die Mobilitätswende auch im Jahr 2017 die Fahne für menschen- und umweltfreundliche Mobilität hoch. Einschlägige Sach- und Fachliteratur stellte sie in erweitertem Umfang der Gemeindebücherei zur Verfügung.
Fazit
Seit Ende 2012 engagiert sich die Mobilitätswende für nachhaltige Mobilität in der Gemeinde Weßling. Auch im fünften Jahr wurden zahlreiche Aktionen und Projekte erfolgreich durchgeführt bzw. angestoßen. Während die große Politik auf Bundes- und Landesebene bei der dringend notwendigen Einleitung einer Verkehrswende bisher völlig versagt, geben die jüngsten Beschlüsse des Weßlinger Gemeinderats zu Tempo 30, Fahrradstraßen und Verkehrsberuhigtem Bereich Anlass zu vorsichtigem Optimismus. Ernüchternd ist allerdings die alltägliche Erfahrung im Ort: Ob Edeka, Kindergarten, Elternabend, Grünsinker Feste, Baden im See und selbst Fitnessstudio, für Entfernungen von wenigen Kilometern benutzt die große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger noch immer tonnenschwere Kraftfahrzeuge mit Verbrennungsmotor, die viel mehr Schaden anrichten als Nutzen bringen. Ein Ende des fossilen Denkens ist also nach wie vor nicht absehbar – wir bleben dran…