Archiv für den Monat: September 2020

Windschutzscheibenperspektive

Die Straßenausstattung der Gemeinde Weßling hat häufig alleine den Kraftverkehr im Blick. So wird der verträgliche, nicht motorisierte Verkehr nicht nur durch die überholte Straßenverkehrsordnung, sondern zusätzlich aufgrund ihrer autozentrierten Umsetzung benachteiligt. Dabei werden Fußgänger:innen und Radler:innen sicherlich nicht bewusst diskriminiert, sondern aufgrund subjektiver Wahrnehmung in den zuständigen Behörden unabsichtlich übersehen. So bleibt im Unterbewusstsein der Verkehrsteilnehmer:innen der Kraftverkehr das Maß der Dinge – und die soziale Inklusion nicht motorisierter Menschen ist nicht gewährleistet.

Wo bin ich?

Wer zu Fuß oder mit dem Radl auf dem Geh- und Radweg aus Richtung Delling kommt, erspäht zunächst links Sportstätten, um dann nach einem Gefälle mit einem Stop-Verkehrszeichen in unserer Gemeinde begrüßt zu werden. Da es keine Ortstafel gibt tappen Ortsfremde im Dunkeln, in welchem Ort sie sich befinden. Es versteht sich von selbst, dass an der parallel verlaufenden Hauptstraße eine Ortstafel steht, die allerdings vom Meilinger Weg aus nicht einsehbar ist.

Am Ende der Welt

Die Grünsinker Straße ist hinter der Grünsinker Kapelle für den Kfz-Verkehr gesperrt, stellt aber eine bedeutende Radverkehrsverbindung nach Etterschlag und Schluifeld/Steinebach dar. Dennoch fehlt auf der Ortstafel an der Weßlinger Ortsausfahrt die Angabe der nächsten Ortschaft – die Beschilderung erfolgte offenbar allein aus Sicht des hier eigentlich unbedeutenden Kraftverkehrs.

Radweggenehmigungspflicht

Wer dennoch weiter in Richtung Grünsink radelt, trifft auf das Verkehrszeichen „Gemeinsamer Geh- und Radweg“ mit Zusatzzeichen „Durchfahrt nur mit Genehmigung“. Das macht zwar aus Windschutzscheibenperspektive Sinn, doch für Radlerinnen und Radler ist völlig rätselhaft, warum sie eine Genehmigung für die Durchfahrt brauchen und wie sie diese bekommen können.

Geheimnisvolle Straßennamen

An der Ortsausfahrt in Richtung Gilching auf Höhe der Einmündung Nelkenweg geht die Hauptstraße in die Münchener Straße über. Wie üblich werden hier die Verkehrsteilnehmer:innen mit entsprechenden Straßennamensschildern informiert. Diese sind allerdings einseitig ausgeführt, sodass sie nur für den Kfz-Verkehr ablesbar sind. Benutzer:innen des stark frequentierten Geh- und Radwegs wurden einmal mehr nicht berücksichtigt.

Spieglein, Spieglein

Im Leitgarten befindet sich an der Einmündung in die vorfahrtsberechtigte Hochstadter Straße ein Verkehrsspiegel, der die Sicht in Richtung Süden verbessert. Obwohl vom gegenüber liegenden Ende des Weges zur Ettenhofener Straße die Sichtbeziehung nach Norden noch wesentlich schlechter ist, suchen Fußgänger:innen und Radler:innen dort vergeblich nach einem Verkehrsspiegel. Anscheinend sind nur motorisierte Verkehrsteilnehmer:innen diesen Aufwand wert.

Richtungsweisend

Als die Bahnhofstraße zur Einbahnstraße erklärt wurde, war der Radverkehr von Beginn an auch in Gegenrichtung zugelassen – sehr gut! Allerdings wurden dieses Jahr zur Verdeutlichung bzw. Erinnerung Richtungspfeilmarkierungen ergänzt, die einmal mehr völlig sinnfrei für den Radverkehr sind.

Auch die Beschilderungen zur vorgeschriebenen Fahrtrichtung in sämtlichen Einmündungen sind für Radler:innen einfach Nonsens.

Diese Beispiele belegen nicht nur, dass auch in der Gemeinde Weßling unter Verkehr häufig nur Kraftverkehr verstanden wird. Sie verdeutlichen auch, wie bedeutsam die Einrichtung der ersten Fahrradstraße ist, denn sie stellt ein klares Bekenntnis zum Ziel „nichtmotorisierter Verkehr wird bevorzugt“ aus dem Leitbild der Gemeinde dar. Insofern besteht Hoffnung, dass die genannten Mängel in absehbarer Zeit beseitigt werden.

Die Mobilitätswende ist für uns Teil einer notwendigen sozialökologischen Transformation, die neben der Frage der Mobilität folgende radikale Kurswechsel umfasst: eine Energiewende, die erneuerbare Energien in Bürger:innenhand setzt, eine Agrarwende, die statt exportgetriebener Massenproduktion auf die Förderung ökologisch-solidarischer Landwirtschaft setzt und eine industrielle Abrüstung, in der überflüssige – zuallererst Rüstung – durch gesellschaftlich nützliche Produktion ersetzt wird.

Aus der Einleitung des AttacBasisTexts Klimagerechte Mobilität für alle von Achim Heier, 2020.