Archiv der Kategorie: Fußgängerfreundliche Gemeinde

Wie geht’s in der Gemeinde Weßling?

von Gerhard Hippmann für UNSER DORF heute

„Fußgänger haben keine Lobby“ wird oft behauptet. Das stimmt so allerdings nicht: Bereits seit 1985 vertritt der Fachverband Fußverkehr Deutschland (FUSS e.V.) die Interessen von Fußgänger:innen in Deutschland. Ihm gelang es vor einigen Jahren etwa, die legale Nutzung von Gehwegen für E-Roller zu verhindern.

Mit der in Kooperation mit dem Umweltbundesamt entwickelten GehCheck-App stellt der FUSS e.V. eine kostenfreie Smartphone-App zur Verfügung, die auch in der Gemeinde Weßling dazu dienen kann, Mängel, Verbesserungsvorschläge sowie Lob von Fußgänger:innen zu sammeln und öffentlich zu machen. Dabei kommt das Crowdsourcing-Prinzip zum Einsatz, das heißt alle dürfen mitmachen.

Die GehCheck-App lässt sich aus den bekannten Stores installieren. Nach einmaliger Benutzerregistrierung kann es gleich losgehen: Tippen auf „Neue Meldung“ startet die Eingabe einer neuen Meldung in drei Schritten. Zuerst ist der Ort einzugeben; dazu kann die aktuelle Position des Smartphones übernommen, oder bei Bedarf angepasst werden. Dann besteht die Möglichkeit, bis zu drei neue oder bereits gespeicherte Fotos hinzuzufügen. Anschließend ist eine Kategorie für die Meldung auszuwählen. Darüber hinaus kann eine Erläuterung und ein Verbesserungsvorschlag ergänzt werden. Schließlich können durch Tippen auf „Übersicht“ sämtliche Eingaben geprüft und mit „Abschicken“ in die GehCheck-Datenbank hochgeladen werden. Alle Meldungen sind im Internet unter gehcheck.werdenktwas.de einsehbar.

Als diese Zeilen geschrieben wurden, gab es in der Gemeinde Weßling 29 GehCheck-Meldungen. Ein großer Teil davon betraf die Einrichtung bzw. Verbesserung von Zebrastreifen oder Querungshilfen. Hier liegt einiges im Argen, weil Fußgängerüberwege von den zuständigen Behörden im Landkreis Starnberg meist als Gefahrenquelle bewertet und abgelehnt werden. Weitere Meldungen beschreiben etwa Stolperstellen auf Gehwegen, fehlende Bordsteinabsenkungen und zu schmale oder häufig von Kfz befahrene Gehwege.

Nutzen auch Sie die GehCheck-App und helfen Sie mit, Weßling zur fußgängerfreundlichen Gemeinde zu machen! Weitere Infos: www.fuss-ev.de/gehcheck-app

Kidical Mass fordert kindgerechten Straßenverkehr

von Gerhard Hippmann für UNSER DORF heute

„Vorsicht Auto!“ ruft jemand eilig – und sofort treten alle Anwesenden reflexartig zur Seite, um freie Bahn für den Kraftfahrer zu schaffen. Alle in Deutschland aufgewachsenen Menschen wurden durch Verkehrserziehung dazu konditioniert, sich dem Kfz-Verkehr unterzuordnen. So konnte einerseits das Unfallrisiko für nichtmotorisierte Verkehrsteilnehmer:innen reduziert werden, andererseits wurde unserer Gesellschaft jedoch eine tief verinnerlichte eingebaute Vorfahrt für das Auto anerzogen. Aber ist es noch zeitgemäß, dass Schwache auf Starke Rücksicht nehmen – und nicht umgekehrt?

Die Aktionsform Kidical Mass vertritt dazu eine klare Position: Statt verkehrsgerechter Kinder setzt sie sich für kindgerechten Verkehr ein. Ziel ist es, dass Kinder sich selbständig zu Fuß oder mit dem Fahrrad im öffentlichen Raum bewegen können. Konkret wird eine Reform des Straßenverkehrsrechts gefordert, sodass ungeschützte Verkehrsteilnehmer:innen – insbesondere Kinder – nicht länger als Störgrößen wahrgenommen, sondern wegen ihrer systemischen Benachteiligung besonders geachtet und rücksichtsvoll behandelt werden.

Zweite Kidical Mass in Weßling am 13. Mai 2023

In der Gemeinde Weßling fand die erste Kidical Mass am 14. Mai 2022 statt. 89 Kinder, Eltern und Großeltern setzten mit einem durch die Polizei gesicherten Radldemonstrationszug entlang der wichtigsten Schulwege zur neuen Grundschule ein Zeichen für kinderfreundliche Mobilität. Insbesondere wurden sichere Schulwege und Querungshilfen, mehr verkehrsberuhigte Bereiche und Fahrradstraßen, sowie generell Tempo 30 innerorts gefordert.

Als in diesem Mai mehr als 150.000 Menschen in über 500 Orten demonstrierten, war die Gemeinde Weßling erneut dabei. Denn für jung und alt ist es ein freudiges und erhellendes Erlebnis, sich mit dem Radl unbedrängt und sicher auf sämtlichen Straßen im Ort bewegen zu können. Für diese bestechende Vision ist auch im kommenden Jahr eine Kidical Mass geplant – radeln Sie mit uns?

Old-School-Verkehrsplanung für neue Schule

Nach jahrelanger Konzeption und Planung beschloss der Gemeinderat am 11. Mai die Verkehrsplanung für die neue Grundschule. Das Ergebnis ist enttäuschend, denn statt kindgerechter und menschenfreundlicher Gestaltung des öffentlichen Raums und nachhaltiger Mobilität steht die uneingeschränkte Nutzung durch Kfz jeder Größenordnung im Vordergrund.

Verkehrsplanung für die neue Grundschule (Norden bzw. Ortsmitte rechts im Bild)

Organisation und Standort

Es ist nachvollziehbar, dass sich der Schulbetrieb durch die Zusammenlegung der Schulhäuser an einen Standort einfacher und effizienter organisieren lässt. Doch hinsichtlich Mobilität entsteht dadurch der gravierende Nachteil, dass die Schule für einen großen Teil der Schüler:innen nicht mehr zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichbar ist. Dieses Problem wird durch den überhaupt nicht zentral gelegenen Standort am westlichen Ende der Gemeinde noch erheblich verschärft. So widersprechen Einhäusigkeit und Standort diametral dem klugen Konzept der Gemeinde der kurzen Wege, welches eine wichtige Voraussetzung für die notwendigerweise nachhaltige Mobilität der Zukunft darstellt.

Darüber hinaus sind durch die Standortwahl Konflikte mit dem Radverkehr zu erwarten, denn sowohl der Meilinger Weg als auch der Steinebacher Weg stellen hoch priorisierte Radrouten dar, welche zudem im Bereich des neuen Schulhauses abschüssig verlaufen. Sehr gefährlich für Radler:innen ist offensichtlich auch die Situation an der von der Hauptstraße den Meilinger Weg kreuzenden Parkplatzzufahrt für Kfz.

Kfz-Stellplätze und Fahrradabstellplätze

Stellplatzsatzungen wurden erfunden, um die Motorisierung zu fördern. In der Gemeinde Weßling gilt eine Stellplatzsatzung (bzw. die bayerische GaStellV), die diesbezüglich Nägel mit Köpfen macht: Für die Sport- und Grundschulanlagen fordert sie nicht weniger als 113 Stellplätze! Dieses offenkundig absurd hohe Maß wird im Bebauungsplan durch merkwürdige Zahlenspiele auf 71 reduziert, was zufällig der für Parkplätze maximal zur Verfügung stehenden Fläche entspricht. Doch auch damit wird es in Zukunft nahezu jederzeit ein Überangebot an Stellplätzen geben, das Sporttreibende, Eltern und Schulpersonal zur Anfahrt mit dem Auto einlädt.

Deutlich weniger großzügig wurden die Fahrradabstellplätze für die neue Schule geplant. Während an den bisherigen Schulhäusern in Oberpfaffenhofen und Weßling jeweils 36 überdachte Plätze zur Verfügung standen, enthielt die neue Planung nur 24 überdachte und 36 nicht überdachte Plätze. Durch eine nachträgliche Optimierung gelang es immerhin, erstere auf 30 zu erhöhen – was allerdings noch immer einen deutlichen Rückschritt für den Radverkehr darstellt.

Schulweg für Kinder

Das ursprüngliche Verkehrskonzept für die neue Schule ging von einer Vorstudie aus, nach der etwa 70 % der Schulkinder durch den östlichen Steinebacher Weg zur Schule gelangen. Um Gefährdungen durch Kfz-Verkehr zu vermeiden sah es vor, den Abschnitt zwischen Max-Doerner-Weg und der Hauptstraßen-Unterführung für den Kfz-Verkehr zu sperren. Für den Bring- und Holverkehr wurden stattdessen Längsparkplätze auf dem Parkplatz geplant, welcher nur über die Hauptstraße erreichbar ist.

Dieses schlüssige und kinderfreundliche Konzept wurde jedoch vom Gemeinderat mehrheitlich verworfen. Um Umwege für den Kfz-Verkehr zu vermeiden, wird der Steinebacher Weg nun doch nicht autofrei werden. Durch diese Fehlentscheidung entsteht ein attraktiver Rundkurs für Elterntaxis über nördlichen Meilinger Weg und östlichen Steinebacher Weg, sodass mit erheblichen Gefährdungen von zu Fuß gehenden und radelnden Schulkindern zu rechnen ist. Zudem liegen sowohl die offiziellen wie auch die inoffiziellen Elterntaxihaltestellen wesentlich näher am Schulgebäude als der selbst vom ADAC empfohlene Mindestabstand von 250 Metern.

Es ist freilich nicht ungewöhnlich, dass ein bayerischer Gemeinderat aus der Windschutzscheibenperspektive entscheidet. Im Fall der Grundschule kommt jedoch hinzu, dass auch der Verkehrsplaner in erster Linie die Belange des Kraftverkehrs im Blick hatte, anstatt nach kindgerechten Lösungen zu suchen. Dies zeigte sich insbesondere in seiner ablehnenden Haltung zur Einrichtung eines verkehrsberuhigten Bereichs im westlichen Steinebacher Weg sowie von Fußgängerüberwegen (Zebrastreifen) als Querungshilfen für die Schulkinder.

Fazit

Insgesamt ist die Verkehrsplanung der neuen Schule weder hinsichtlich Schulwegsicherheit noch bezüglich nachhaltiger und menschenfreundlicher Mobilität zukunftsweisend. Denn eine Gestaltung des öffentlichen Raums, durch die Kraftverkehr höchste Priorität genießt und schwache Verkehrsteilnehmer:innen wie Fußgänger:innen, Radfahrer:innen und insbesondere Kinder an den Rand gedrängt werden, läuft der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklung zuwider und ist somit ein Auslaufmodell. Nicht verkehrsgerechten Kindern, sondern kindgerechtem Verkehr gehört die Zukunft.

Straßen für Menschen

Weßlings Hauptstraße für Menschen auf einer Postkarte aus dem Jahr 1905 (Gemeindearchiv Weßling)

von Gerhard Hippmann für UNSER DORF heute

„Nichtmotorisierter Verkehr ist bevorzugt“ lautet eine der Entwicklungsleitlinien des im Jahr 2004 erarbeiteten und beschlossenen Leitbilds der Gemeinde Weßling. Ein hehres Ziel, das bisher nur punktuell erreicht wurde, denn unsere Straßenverkehrsordnung ist längst nicht mehr zeitgemäß und priorisiert noch immer klar den Kfz-Verkehr. „Wer zu Fuß geht, hat Fahrbahnen unter Beachtung des Fahrzeugverkehrs zügig auf dem kürzesten Weg quer zur Fahrtrichtung zu überschreiten“ steht etwa in § 25. Seit nunmehr 85 Jahren werden Fußgänger:innen auf Gehwege verbannt und verpflichtet, den Fahrzeugverkehr möglichst wenig zu stören. Dass Straßen über Jahrhunderte Orte der Begegnung waren, wo sich völlig selbstverständlich Menschen trafen und Kinder spielten, erscheint uns heute ziemlich merkwürdig. Ist unser Leitbild also utopisch?

Verkehrszeichen Verkehrsberuhigter Bereich

Das trifft zum Glück nur teilweise zu, denn selbst die deutsche StVO räumt mitunter nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmer:innen Vorrang ein. Neben Fahrradstraßen stechen hier insbesondere Verkehrsberuhigte Bereiche hervor (die fälschlicherweise häufig als Spielstraßen bezeichnet werden). Hier steht die sonst übliche Straßennutzung auf dem Kopf: Fahrzeuge dürfen nur mit Schrittgeschwindigkeit fahren, und im gesamten Straßenraum genießen Fußgänger:innen Vorrang und dürfen Kinder spielen. Straßen für Menschen also, die höchste Aufenthaltsqualität bieten und voll und ganz unserem Leitbild entsprechen.

Allerdings ist es nicht zulässig, einfach alle Gemeindestraßen zum Verkehrsberuhigten Bereich zu erklären. In Betracht kommen Wohnstraßen ohne Gehwege mit geringem Fahrverkehrsaufkommen. Diese sollen durch ihre bauliche Gestaltung oder Möblierung den Eindruck vermitteln, dass die Aufenthaltsfunktion überwiegt. Interessant ist, dass das Parken nur auf markierten Stellplätzen gestattet ist. So wird ermöglicht, eine übermäßige Nutzung des öffentlichen Raums durch „ruhenden Verkehr“ zu vermeiden – ganz ohne Schilderwald und Eingriff ins Baurecht.

Bisher gibt es in unserer Gemeinde zwei Verkehrsberuhigte Bereiche (Höhenrainäcker, Herbststraße/Winterweg). Eine Reihe weiterer Straßen erfüllt die Voraussetzungen dafür. Fortschritte im Sinne unseres Leitbilds sind hier leicht erzielbar.

Erste Kidical Mass Weßling

Am letzten Samstag fand die erste Kidical Mass in Weßling statt. Bei sehr schönem Wetter demonstrierten 89 Kinder, Eltern und Großeltern für kinder- und fahrradfreundliche Mobilität in der Gemeinde Weßling. Höhepunkt war ein Radldemonstrationszug entlang der wichtigsten Schulwege zur neuen Grundschule. Anschließend sprach Dr. Tassilo Wanner in einer bewegenden und persönlichen Rede über Rücksicht und Nachhaltigkeit im Straßenverkehr. Nach der Kundgebung sorgte eine Hüpfburg für große Begeisterung bei den Kindern.

Die Kidical Mass fand an über 200 Orten in 15 Ländern statt. Übergeordnetes Ziel ist ein kinderfreundliches Straßenverkehrsrecht. So entspringt die Kidical Mass der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklung, nach der nicht mehr länger die Schwachen auf die Starken Rücksicht nehmen müssen, sondern die Starken auf die Schwachen achten. Von diesem Paradigmenwechsel ist der Straßenverkehr in Deutschland freilich noch meilenweit entfernt.

Außerdem wurden vier Forderungen für die Mobilität in der Gemeinde Weßling gestellt:

  1. Sichere Schulwege ohne Gefährdung der Kinder durch Kfz-Verkehr, besonders auch im Hinblick auf das neue Schulhaus
  2. Verkehrsberuhigte Bereiche in Wohnstraßen, sonst generell Tempo 30 innerorts
  3. Zügige Verwirklichung der Geh- und Radwege zwischen Oberpfaffenhofen und Unterbrunn sowie zwischen Hochstadt und Unering
  4. Vermehrte Schaffung von sichereren Straßenübergängen z. B. in Form von Fußgängerüberwegen (Zebrastreifen)

Die in den vergangenen Monaten entwickelte, primär an den Belangen des Kfz-Verkehrs orientierte Verkehrsplanung im Bereich der neuen Schule zeigt deutlich, dass auch vor Ort noch dicke Bretter zu bohren sind. Daher ist gut möglich, dass es weitere Kidical-Mass-Aktionen in Weßling geben wird.

15-Minuten-Gemeinde Weßling

von Gerhard Hippmann für Unser Dorf heute

Ende der 50er Jahre wurde die autogerechte Stadt- und Raumplanung entwickelt. Sie ist durch räumliche Trennung der Bedarfe Wohnen, Einkaufen, Arbeit und Freizeit gekennzeichnet und sieht vor, dass die damit verbundenen Mobilitätsbedürfnisse durch Pkw-Verkehr befriedigt werden. Seither verbreitete sich dieses Konzept so erfolgreich, dass es uns heute völlig normal erscheint. Indes nahm unsere Abhängigkeit vom Auto in frappierendem Maße zu: Legten die Menschen in Deutschland im Jahr 1960 noch durchschnittlich 11 km am Tag zurück, waren es 2017 39 km. Die Anzahl der Pkw wuchs unterdessen von 4,4 Mio auf heute über 48 Mio. Der damit verbundene CO2-Ausstoß und Ressourcenverbrauch sprengt längst die planetaren Grenzen – und Ortskerne ertrinken im Kfz-Verkehr.

Weil es so nicht weiter gehen kann, setzt Paris sehr konsequent auf das kluge und attraktive Konzept der 15-Minuten-Stadt. Dieses sieht vor, dass alle Grundbedürfnisse innerhalb von 15 Minuten zu Fuß oder mit dem Fahrrad von der Wohnung aus erfüllt werden können. Beste Voraussetzungen also für nachhaltige Mobilität und hohe Lebensqualität durch ein über viele Jahrhunderte bewährtes Prinzip, welches in den letzten Jahren durch die Megatrends Onlineshopping und Homeoffice wieder leichter realisierbar geworden ist.

Wie stehen die Chancen in der Gemeinde Weßling? In 15 Minuten können fast alle Wege im Gemeindegebiet mit dem Fahrrad oder Pedelec zurück gelegt werden. Und abgesehen von Weichselbaum sind innerhalb der Ortsteile zentrale Ziele binnen einer Viertelstunde zu Fuß erreichbar. Für Erholung und Sport steht attraktive Natur zur Verfügung. Wir hätten also eine ziemlich perfekte 15-Minuten-Gemeinde, wenn es in jedem Ortsteil Einkaufsmöglichkeiten, Kitas, Schulen und genügend viele Arbeitsplätze gäbe – wie es vor der autogerechten Stadtplanung selbstverständlich war. Dem Ideal kommen wir heute nur noch bei den Kitas nahe. Bei anderen Bedarfen sieht es hingegen vor allem in Hochstadt und Weichselbaum mau aus. Discounter und Gewerbegebiete auf der grünen Wiese, aber auch die neue Grundschule am westlichen Ende der Gemeinde sind in diesem Sinne offenkundig kontraproduktiv.

Fazit: Bei der Ortsentwicklung sollten wir enkeltaugliche Mobilität stets mitdenken.

Willkommen in Weßling

Eigentlich sollte dieser Beitrag Anfang Mai veröffentlicht werden, aber die extrem fahrradunfreundliche Baustellenbeschilderung im Meilinger Weg hätte ihn damals zur Farce werden lassen – deshalb nun mit einem Vierteljahr Verspätung.

Wer öfters auf unbekannten Wander- oder Radwegen unterwegs ist, kennt das Phänomen: Eine neue Ortschaft ist erreicht, aber es ist unklar welche. Straßen für den Kfz-Verkehr sind stets mit Ortstafeln ausgestattet, Wege für aktiv mobile Menschen hingegen oft nicht. So auch der in den Meilinger Weg führende Geh- und Radweg aus Richtung Herrsching, von dem aus die Ortstafel der parallel verlaufenden Hauptstraße nicht einsehbar ist.

Seit Mai gehört diese Beschilderung aus Windschutzscheibenperspektive der Vergangenheit an. Auf Höhe des Skaterplatzes wurde eine spezielle Ortstafel für den Fuß- und Radverkehr installiert, die dem offiziellen Verkehrszeichen 310 ähnelt, aber hinsichtlich Abmessungen und Farbgebung der Radwegweisung zuzuordnen ist – sehr schick!

Auch an der nördlichen Ortseinfahrt aus Richtung Gilching gibt es gute Neuigkeiten: Nach jahrelangen zähen Verhandlungen mit Landratsamt und Straßenbauamt ist es endlich gelungen, die Furt des Geh- und Radwegs an der Einmündung Nelkenweg rot zu markieren. Denn was andernorts selbstverständlicher Standard ist, findet bei den für den Landkreis STA zuständigen Behörden nur ausnahmsweise Zustimmung. So wurde beispielsweise argumentiert, die Rotmarkierung sei gefährlich rutschig, in der StVO nicht vorgesehen oder wegen ausreichender Sicherheit einfach unnötig. Erfreulicherweise gehören diese Diskussionen nun der Vergangenheit an, denn nun sind alle vier kritischen Furten (Nelkenweg, Buchenweg, Neuhochstadter Straße, Aldi) in der Gemeinde Weßling rot markiert.

Rückenwind für den Radverkehr

Lastenpedelec LaRa 1 mit Anhänger im Einsatz

Im ersten Quartal 2021 hat der Gemeinderat Weßling einige Entscheidungen getroffen, die den Fuß- und Radverkehr voran bringen.

Geschwindigkeitsbeschränkung Grünsinker Straße

Seit die Grünsinker Straße für den Durchgangs-Kfz-Verkehr gesperrt ist, wird sie überwiegend von Fußgänger:innen und Radler:innen genutzt. Bei schönem Wetter lässt sich erfreulicherweise beobachten, wie Menschen zahlreich die ehemalige Staatsstraße zurück erobern. Allerdings handelt es sich baulich und rechtlich nach wie vor um eine Landstraße, auf der 100 km/h schnell gefahren werden kann und darf.

Der Gemeinderat sprach sich am 19. Januar mit großer Mehrheit für eine Geschwindigkeitsbegrenzung aus. Zwischen Ortstafel und Waldrand soll auf 60 km/h und im Wald auf 30 km/h, jeweils mit Zusatzzeichen „Achtung Fußgänger“ beschränkt werden. Diese Maßnahme erfordert allerdings noch eine Zustimmung vom Landratsamt, welche leider nicht selbstverständlich ist.

Schutzstreifen Gautinger Straße

Die nordwestliche Gautinger Straße ist zwischen den Einmündungen Hauptstraße und Adelbergweg durchwegs mindestens 6,0 m breit. Damit ist genug Platz für die Einrichtung eines einseitigen Fahrradschutzstreifens vorhanden. Diese Maßnahme ist sinnvoll in Richtung Oberpfaffenhofen, weil aufgrund der Steigung besonders große Geschwindigkeitsunterschiede zwischen Radler:innen und Kfz auftreten. Der Gemeinderat befürwortete diesen Vorschlag am 23. Februar einstimmig.

Mit dem Beschluss ist ein erster wichtiger Schritt getan. Die Maßnahme muss aber noch durch das Landratsamt genehmigt werden. Die Chancen dafür stehen wahrscheinlich nicht schlecht, weil der Landkreis zurzeit die Einrichtung von Schutzstreifen forciert.

Unterführung Mitterwiese

Unterbrochener Wirtschaftsweg an der Mitterwiese

Durch den Bau der Umfahrung Weßling wurde der bei Wander:innen und Radler:innen sehr beliebte Waldweg von Weßling nach Steinebach über die Mitterwiese und den Golfplatz durchtrennt. Seitdem muss der Radverkehr 120 m auf der Umfahrung fahren und dann nach links abbiegen, um auf die andere Seite zu kommen – lebensgefährlich bei zulässigen 100 km/h für den Kraftverkehr. Der Gemeinderat sprach sich am 23. Februar einstimmig und mit Nachdruck dafür aus, den Bau einer Unterführung für den Fuß- und Radverkehr anzugehen (Artikel Süddeutsche und Merkur).

Auch in dieser Sache ist eine Umsetzung durchaus wahrscheinlich, denn niemand hat sich bisher dagegen ausgesprochen, und für das Vorhaben kann voraussichtlich eine hilfreiche Förderung beantragt werden.

Förderprogramm für Lastenräder und Fahrradanhänger

Förderprogramme für Lastenräder und Fahrradanhänger werden von vielen Kommunen angeboten und erfreuen sich bei Bürgerinnen und Bürgern großer Beliebtheit. Diese Maßnahmen haben den Charme, dass sie tatsächlich das Potenzial haben, Autofahrten bzw. Zweit- und Drittwagen zu ersetzen. Das wird mit jeder Fahrt sichtbar gemacht, sodass sich solche Förderprogramme selbst verstärken.

Am 17. März beschloss der Ausschuss für Umwelt, Klimaschutz, Energie und Mobilität mit deutlicher Mehrheit, auch in der Gemeinde Weßling Lastenräder (Zuschuss 500 €) und Fahrradanhänger (150 €) zu fördern.

Beitritt zur Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommunen

Ebenfalls am 17. März wurde einstimmig beschlossen, dass die Gemeinde der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommunen in Bayern (AGFK) beitritt und somit eine Zertifizierung als fahrradfreundliche Gemeinde anstrebt. Dieses Ziel vor Augen wird in den kommenden Jahren sicherlich hilfreich und motivierend sein.

Kreuzung Meilinger/Steinebacher Weg

Fahrradfreundlichere Vorfahrtsregelung an der Kreuzung Meilinger/Steinebacher Weg

Es kommt selten vor, dass eine Maßnahme zur Förderung des Radverkehrs im Konzept für das Alltagsradroutennetz STA enthalten ist und sowohl vom Landratsamt, als auch von der Verkehrspolizei ausdrücklich begrüßt wird. Dies ist der Fall an der Kreuzung Meilinger/Steinebacher Weg, wo der Radverkehr auf der Radroute Herrsching-München mit höchster Priorität auf einer Fahrradstraße geführt wird. Alles spricht daher dafür, den Meilinger Weg zu bevorrechtigen oder wenigstens die Stop-Beschilderung durch „Vorfahrt gewähren“ zu ersetzen.

Aus schwer nachvollziehbaren Gründen fand diese Lösung am 19. Januar aber keine Mehrheit im Gemeinderat. Weil sich die Beschilderung durch den Bau der Grundschule mittelfristig sowieso ändern wird, ist diese Fehlentscheidung aber verschmerzbar.

Insgesamt gibt es zurzeit in der Gemeindepolitik also viel Schwung für den Radverkehr. Damit die Maßnahmen umgesetzt werden, müssen allerdings noch die übergeordneten Behörden mitspielen und die Gemeindeverwaltung ihre Hausaufgaben machen. Wir drücken die Daumen, dass das in allen Fällen gelingt!

Windschutzscheibenperspektive

Die Straßenausstattung der Gemeinde Weßling hat häufig alleine den Kraftverkehr im Blick. So wird der verträgliche, nicht motorisierte Verkehr nicht nur durch die überholte Straßenverkehrsordnung, sondern zusätzlich aufgrund ihrer autozentrierten Umsetzung benachteiligt. Dabei werden Fußgänger:innen und Radler:innen sicherlich nicht bewusst diskriminiert, sondern aufgrund subjektiver Wahrnehmung in den zuständigen Behörden unabsichtlich übersehen. So bleibt im Unterbewusstsein der Verkehrsteilnehmer:innen der Kraftverkehr das Maß der Dinge – und die soziale Inklusion nicht motorisierter Menschen ist nicht gewährleistet.

Wo bin ich?

Wer zu Fuß oder mit dem Radl auf dem Geh- und Radweg aus Richtung Delling kommt, erspäht zunächst links Sportstätten, um dann nach einem Gefälle mit einem Stop-Verkehrszeichen in unserer Gemeinde begrüßt zu werden. Da es keine Ortstafel gibt tappen Ortsfremde im Dunkeln, in welchem Ort sie sich befinden. Es versteht sich von selbst, dass an der parallel verlaufenden Hauptstraße eine Ortstafel steht, die allerdings vom Meilinger Weg aus nicht einsehbar ist.

Am Ende der Welt

Die Grünsinker Straße ist hinter der Grünsinker Kapelle für den Kfz-Verkehr gesperrt, stellt aber eine bedeutende Radverkehrsverbindung nach Etterschlag und Schluifeld/Steinebach dar. Dennoch fehlt auf der Ortstafel an der Weßlinger Ortsausfahrt die Angabe der nächsten Ortschaft – die Beschilderung erfolgte offenbar allein aus Sicht des hier eigentlich unbedeutenden Kraftverkehrs.

Radweggenehmigungspflicht

Wer dennoch weiter in Richtung Grünsink radelt, trifft auf das Verkehrszeichen „Gemeinsamer Geh- und Radweg“ mit Zusatzzeichen „Durchfahrt nur mit Genehmigung“. Das macht zwar aus Windschutzscheibenperspektive Sinn, doch für Radlerinnen und Radler ist völlig rätselhaft, warum sie eine Genehmigung für die Durchfahrt brauchen und wie sie diese bekommen können.

Geheimnisvolle Straßennamen

An der Ortsausfahrt in Richtung Gilching auf Höhe der Einmündung Nelkenweg geht die Hauptstraße in die Münchener Straße über. Wie üblich werden hier die Verkehrsteilnehmer:innen mit entsprechenden Straßennamensschildern informiert. Diese sind allerdings einseitig ausgeführt, sodass sie nur für den Kfz-Verkehr ablesbar sind. Benutzer:innen des stark frequentierten Geh- und Radwegs wurden einmal mehr nicht berücksichtigt.

Spieglein, Spieglein

Im Leitgarten befindet sich an der Einmündung in die vorfahrtsberechtigte Hochstadter Straße ein Verkehrsspiegel, der die Sicht in Richtung Süden verbessert. Obwohl vom gegenüber liegenden Ende des Weges zur Ettenhofener Straße die Sichtbeziehung nach Norden noch wesentlich schlechter ist, suchen Fußgänger:innen und Radler:innen dort vergeblich nach einem Verkehrsspiegel. Anscheinend sind nur motorisierte Verkehrsteilnehmer:innen diesen Aufwand wert.

Richtungsweisend

Als die Bahnhofstraße zur Einbahnstraße erklärt wurde, war der Radverkehr von Beginn an auch in Gegenrichtung zugelassen – sehr gut! Allerdings wurden dieses Jahr zur Verdeutlichung bzw. Erinnerung Richtungspfeilmarkierungen ergänzt, die einmal mehr völlig sinnfrei für den Radverkehr sind.

Auch die Beschilderungen zur vorgeschriebenen Fahrtrichtung in sämtlichen Einmündungen sind für Radler:innen einfach Nonsens.

Diese Beispiele belegen nicht nur, dass auch in der Gemeinde Weßling unter Verkehr häufig nur Kraftverkehr verstanden wird. Sie verdeutlichen auch, wie bedeutsam die Einrichtung der ersten Fahrradstraße ist, denn sie stellt ein klares Bekenntnis zum Ziel „nichtmotorisierter Verkehr wird bevorzugt“ aus dem Leitbild der Gemeinde dar. Insofern besteht Hoffnung, dass die genannten Mängel in absehbarer Zeit beseitigt werden.

Praxistest Mitfahrbank

von Gerhard Sailer für Unser Dorf heute

Freitag Nachmittag. Mit Rucksack und Koffer komme ich mit der S-Bahn in Weßling an. Der nächste Bus kommt erst in 25 Minuten. Da könnte ich längst zuhause sein. Ob mich mit dem ganzen Gepäck jemand mitnehmen wird? Ich riskiere es und laufe vor zur Mitfahrbank.

Mitfahrbank in Weßling

Leider fehlen die Fahrzielanzeiger. Sie waren wohl nicht stabil genug befestigt. Ich sitze noch gar nicht, da hält schon ein älterer Herr mit seinem roten Kleinwagen. Er fährt nur bis Oberpaffenhofen, aber bis dahin nimmt er mich gerne mit und lässt mich beim Plonner aussteigen.

Mitten im Dorf ist es eher schwierig eine Mitfahrgelegenheit zu finden. Ich laufe deshalb über den Schulhof hinunter zur Hochstadter Straße, stelle mich an den Straßenrand und strecke den Daumen raus. Drei, vier Autos fahren vorbei, aber jetzt hält eine nette Dame. Sie komme aus Wörthsee und müsse nach Hochstadt. Natürlich könne ich mitfahren: „Oh, den Koffer habe ich gar nicht gesehen, aber irgendwie wird es schon gehen!“ Freilich finde ich Platz im kleinen Auto und meine Fahrerin erzählt, dass sie früher immer nur per Anhalter unterwegs gewesen sei. Schade, dass von den jungen Leuten jetzt immer die Mamas angerufen würden!

Die letzten Meter gehe ich zu Fuß. Das tut nach der langen Zugfahrt auch gut. Und ich stehe schon mit einer Tasse Tee daheim am Küchenfenster, als der Bus vorbeifährt.

Das war schon das vierte Mal, dass ich die Mitfahrbank benutzte. Zweimal ging es direkt und zweimal mit Umsteigen nach Hochstadt. Geklappt hat es immer ziemlich schnell. Ich würde mir noch ein Bankerl an der Hochstadter Straße in Oberpfaffenhofen wünschen und natürlich eins an der Dorfstraße in Hochstadt für Fahrten sowohl Richtung Starnberg oder Gauting als auch Richtung Weßling. Ja, und noch eins an der Weßlinger Straße Richtung Unering!

Auf dieser Strecke wird jetzt so schnell gefahren, dass das Radeln sehr unangenehm und das zu Fuß Gehen unmöglich ist. Die Enkel im Nachbardorf könnte ich dann auch ohne eigenes Auto endlich ziemlich gefahrlos besuchen.