Archiv des Autors: Gerhard Hippmann

Wie geht’s in der Gemeinde Weßling?

von Gerhard Hippmann für UNSER DORF heute

„Fußgänger haben keine Lobby“ wird oft behauptet. Das stimmt so allerdings nicht: Bereits seit 1985 vertritt der Fachverband Fußverkehr Deutschland (FUSS e.V.) die Interessen von Fußgänger:innen in Deutschland. Ihm gelang es vor einigen Jahren etwa, die legale Nutzung von Gehwegen für E-Roller zu verhindern.

Mit der in Kooperation mit dem Umweltbundesamt entwickelten GehCheck-App stellt der FUSS e.V. eine kostenfreie Smartphone-App zur Verfügung, die auch in der Gemeinde Weßling dazu dienen kann, Mängel, Verbesserungsvorschläge sowie Lob von Fußgänger:innen zu sammeln und öffentlich zu machen. Dabei kommt das Crowdsourcing-Prinzip zum Einsatz, das heißt alle dürfen mitmachen.

Die GehCheck-App lässt sich aus den bekannten Stores installieren. Nach einmaliger Benutzerregistrierung kann es gleich losgehen: Tippen auf „Neue Meldung“ startet die Eingabe einer neuen Meldung in drei Schritten. Zuerst ist der Ort einzugeben; dazu kann die aktuelle Position des Smartphones übernommen, oder bei Bedarf angepasst werden. Dann besteht die Möglichkeit, bis zu drei neue oder bereits gespeicherte Fotos hinzuzufügen. Anschließend ist eine Kategorie für die Meldung auszuwählen. Darüber hinaus kann eine Erläuterung und ein Verbesserungsvorschlag ergänzt werden. Schließlich können durch Tippen auf „Übersicht“ sämtliche Eingaben geprüft und mit „Abschicken“ in die GehCheck-Datenbank hochgeladen werden. Alle Meldungen sind im Internet unter gehcheck.werdenktwas.de einsehbar.

Als diese Zeilen geschrieben wurden, gab es in der Gemeinde Weßling 29 GehCheck-Meldungen. Ein großer Teil davon betraf die Einrichtung bzw. Verbesserung von Zebrastreifen oder Querungshilfen. Hier liegt einiges im Argen, weil Fußgängerüberwege von den zuständigen Behörden im Landkreis Starnberg meist als Gefahrenquelle bewertet und abgelehnt werden. Weitere Meldungen beschreiben etwa Stolperstellen auf Gehwegen, fehlende Bordsteinabsenkungen und zu schmale oder häufig von Kfz befahrene Gehwege.

Nutzen auch Sie die GehCheck-App und helfen Sie mit, Weßling zur fußgängerfreundlichen Gemeinde zu machen! Weitere Infos: www.fuss-ev.de/gehcheck-app

Kidical Mass fordert kindgerechten Straßenverkehr

von Gerhard Hippmann für UNSER DORF heute

„Vorsicht Auto!“ ruft jemand eilig – und sofort treten alle Anwesenden reflexartig zur Seite, um freie Bahn für den Kraftfahrer zu schaffen. Alle in Deutschland aufgewachsenen Menschen wurden durch Verkehrserziehung dazu konditioniert, sich dem Kfz-Verkehr unterzuordnen. So konnte einerseits das Unfallrisiko für nichtmotorisierte Verkehrsteilnehmer:innen reduziert werden, andererseits wurde unserer Gesellschaft jedoch eine tief verinnerlichte eingebaute Vorfahrt für das Auto anerzogen. Aber ist es noch zeitgemäß, dass Schwache auf Starke Rücksicht nehmen – und nicht umgekehrt?

Die Aktionsform Kidical Mass vertritt dazu eine klare Position: Statt verkehrsgerechter Kinder setzt sie sich für kindgerechten Verkehr ein. Ziel ist es, dass Kinder sich selbständig zu Fuß oder mit dem Fahrrad im öffentlichen Raum bewegen können. Konkret wird eine Reform des Straßenverkehrsrechts gefordert, sodass ungeschützte Verkehrsteilnehmer:innen – insbesondere Kinder – nicht länger als Störgrößen wahrgenommen, sondern wegen ihrer systemischen Benachteiligung besonders geachtet und rücksichtsvoll behandelt werden.

Zweite Kidical Mass in Weßling am 13. Mai 2023

In der Gemeinde Weßling fand die erste Kidical Mass am 14. Mai 2022 statt. 89 Kinder, Eltern und Großeltern setzten mit einem durch die Polizei gesicherten Radldemonstrationszug entlang der wichtigsten Schulwege zur neuen Grundschule ein Zeichen für kinderfreundliche Mobilität. Insbesondere wurden sichere Schulwege und Querungshilfen, mehr verkehrsberuhigte Bereiche und Fahrradstraßen, sowie generell Tempo 30 innerorts gefordert.

Als in diesem Mai mehr als 150.000 Menschen in über 500 Orten demonstrierten, war die Gemeinde Weßling erneut dabei. Denn für jung und alt ist es ein freudiges und erhellendes Erlebnis, sich mit dem Radl unbedrängt und sicher auf sämtlichen Straßen im Ort bewegen zu können. Für diese bestechende Vision ist auch im kommenden Jahr eine Kidical Mass geplant – radeln Sie mit uns?

Rathaus-Carsharing jetzt verfügbar

Seit April ist in der Gemeinde Weßling Rathaus-Carsharing verfügbar: Ein Parkplatz vor dem Rathaus ist für ein Carsharing-Auto reserviert, welches sowohl von der Gemeindeverwaltung, als auch von Bürger:innen genutzt werden kann (Artikel in Kreisbote und Süddeutsche). Es handelt sich dabei um stationsbasiertes Carsharing, das heißt das Fahrzeug wird immer vom Rathaus abgeholt und und nach der Nutzung wieder dorthin zurück gebracht.

Schlüsselübergabe am 18. April 2023

Der in Weßling eingesetzte Renault ZOE E-Tech Evolution EV50 135hp verfügt über einen rein elektrischen Antrieb und wird von der Energiegenossenschaft Fünfseenland betrieben. Das Auto kann von Teilnehmer:innen des Carsharing-Systems STATTAUTO München gebucht werden. Für die Teilnahme von Einzelpersonen sind z. B. einmalige Aufnahmekosten von 20 €, eine Kaution von 250 € sowie ein Monatsbeitrag von 6 € zu entrichten. Die Fahrzeugnutzungskosten berechnen sich aus einem Zeittarif (1,00 bis 2,80 €/h) und einem Kilometertarif (0,28 €/km). Weitere Infos zur Anmeldung und zu den Tarifen gibt es hier und hier.

Die Station am Rathaus ist eine von über 135 STATTAUTO-Stationen mit 450 Carsharing-Autos im Raum München. STATTAUTO-Teilnehmer:innen steht die gesamte Flotte vom Kleinstwagen bis zum Transporter zur Verfügung. Falls das Auto in Weßling im gewünschten Zeitraum bereits gebucht ist, kann auf ein anderes Fahrzeug an einer nahe gelegenen STATTAUTO-Station (z. B. Gilching oder Seefeld) ausgewichen werden. Außerdem können durch Quernutzung Carsharing-Fahrzeuge in vielen anderen Regionen genutzt werden, sodass sich für weitere Fahrten eine Kombination mit Zugreisen empfiehlt.

Durch E-Carsharing kann selbst ein Auto zum verträglichen Verkehrsmittel werden:

  • Ein Carsharing-Auto ersetzt bis zu 20 Privatautos. Dadurch werden knappe Ressourcen nicht nur für die Produktion der Fahrzeuge, sondern auch für den Bau von Infrastruktur wie Straßen und Parkplätze/Garagen eingespart.
  • Durch Carsharing werden die tatsächlichen Kosten der Autonutzung transparent. Es entfällt der Anreiz möglichst viel zu fahren, um die hohen Fixkosten rentabler erscheinen zu lassen.
  • Externer Standort und obligatorische Buchung lassen eine rationale Verkehrsmittelwahl zu, weil Gewohnheit und Bequemlichkeit nicht mehr in aller Regel für die Autonutzung sprechen. So sinkt die Autoabhängigkeit und andere Mobilitätsoptionen gewinnen an Attraktivität.
  • Durch Eindämmung der Autoflut wird die Aufenthaltsqualität und Sicherheit im öffentlichen Raum verbessert – und der Weg frei gemacht für Menschen.

Aus diesen Gründen ist der Umstieg vom privaten zum geteilten Auto ein großer Fortschritt in Richtung nachhaltige Mobilität und wird von der Mobilitätswende Weßling ausdrücklich empfohlen.

Swipe+ride – der eTarif des MVV im Alltagstest

von Gerhard Sailer für UNSER DORF heute

„Wisch und weg“ wäre so ein schöner Slogan gewesen für dieses Tarifangebot des MVV, ist aber leider schon lange geschützt, als Werbebotschaft für ein Küchentuch. Also musste es mal wieder Englisch sein und der MVV wirbt mit „swipe+ride“ für das Pilotprojekt zu einem elektronischen Tarif (kurz: eTarif).

Solange ich berufstätig war, hatte ich immer eine Karte für das gesamte Tarifgebiet. Doch dann kam der Ruhestands-Schock: Einzelticket oder Streifenkarte? Welche Zone brauche ich? Oder doch das Tagesticket? Karte kaufen und entwerten nicht vergessen! Als dann im letzten Sommer vorübergehend das 9€-Ticket kam, wurde mir bewusst, wie einfach und günstig öffentlicher Nahverkehr sein könnte, nein, sein müsste!

Dann wurde ich auf dieses swipe+ride aufmerksam und ich beschloss, es zu testen. Klang nach „einfacher“ und vielleicht sogar „günstiger“. Vor allem dieses „einfacher“ wäre für mich, der ich jetzt nur noch Gelegenheitsnutzer des MVV bin, ein wichtiges Argument, um meine Wege öffentlich zurückzulegen und das Auto stehen zu lassen!

Also registriere ich mich als Pilotkunde, erhalte einen Zugangscode, lade mir die kostenlose FTQ Lab-App auf mein Smartphone und richte ein Zahlungsmittel ein (Kreditkarte oder SEPA-Lastschrift). Jetzt findet die App die jeweils nächstgelegene Haltestelle und bevor ich einsteige brauche ich nur einen grünen Start-Knopf von links nach rechts wischen, schon habe ich ein gültiges Ticket. Beim Umsteigen brauche ich nichts zu machen, erst nach dem Aussteigen ziehe ich einen roten Stopp-Knopf von rechts nach links und kurze Zeit später erscheint eine Übersicht meiner Fahrt mit dem berechneten Preis, der sich aus einem Grundpreis für jede Fahrt und aus einem Preis für jeden zurückgelegten Luftlinien-Kilometer zusammensetzt.

So gerüstet breche ich zu meiner ersten Fahrt nach München auf und, oje: „berechneter Preis: 12,40 €“! Das Tagesticket hätte nur 10,10 € gekostet. Dabei profitiere ich sogar noch vom sogenannten „Tagesdeckel“, das ist der Höchstsatz, den das System für Fahrten an einem Tag berechnet. Nach drei weiteren Fahrten muss ich im November insgesamt 21,94 € bezahlen, die günstigste Variante im Normaltarif hätte nur 17,70 € gekostet.

Mich tröstet ein fröhlicher Hinweis des Systems: Da ich mindestens vier Fahrten zurückgelegt habe, darf ich im Folgemonat mit einem Rabatt von 10% rechnen! Ab 6 Fahrten gibt es 20% und ab 8 Fahrten sogar 30% Rabatt im Folgemonat. Tatsächlich zahlt sich das in der Monatsrechnung für Dezember aus: Für 10 Fahrten muss ich 24,61 € bezahlen, 3,88 € weniger als in der günstigsten Variante des Normaltarifs und sogar 6,49 € weniger, als wenn ich mit Einzelfahrkarten unterwegs gewesen wäre.

Endgültig versöhnt mich der Januar mit der Preisgestaltung des eTarifs. 30% Rabatt führen dazu, dass ich 5,79 € gegenüber der günstigsten Variante des Normaltarifs spare. Damit dreht auch die Quartalsabrechnung um 5,43 € ins Plus!

Gespannt warte ich darauf, kontrolliert zu werden. Tatsächlich können die Kontrolleure das Ticket problemlos ablesen. Lustig: genau für diese Fahrt von Gilching nach Weßling werden mir 0,00 € berechnet! Ein Versehen? Die nächste Sorge ist, was wohl passiert, wenn ich das Auschecken vergesse. Doch die App erinnert mich, und das Missgeschick bleibt folgenlos. Gestern gab es dann wieder eine Überraschung: Für Weßling-Marienplatz und Marienplatz-Unering gibt es den Tagesdeckel von 8,70 € (vorgesehen eigentlich nur für Strecken bis 20 km) statt 13,30 €. Abzüglich 30 % Rabatt kostet diese Fahrt also nur 5,19 €! Ich überlege noch: Einfach freuen oder „ein Problem mit dieser Reise melden“, wie es die App auch nach jeder Fahrt anbietet?

Mein Fazit: Mit swipe+ride wird das Fahren mit Bus und Bahn echt einfacher. Man hat einfach sein Ticket immer dabei und muss nicht mehr mit dem verwaschenen Bildschirm der Automaten kämpfen. Es stellt sich sogar ein kleiner „Suchtfaktor“ ein, der dazu führt, dass der größtmögliche Rabatt locker erreicht und damit auch gespart werden kann. Und: Das Auto bleibt jetzt jedenfalls noch öfter stehen!

Buslinien sind attraktiv – wenn sie flexibler und sparsamer werden

Leserbrief zum Beitrag Eine Notlösung mit Zukunft in der Süddeutschen Zeitung vom 14. März 2023

Ja, es ist eine tolle Lösung, die abendlichen Fahrten auf der Linie 955 nicht einfach ausfallen zu lassen, weil dem Busunternehmer Fahrer fehlen, sondern ein Taxi zu schicken, das immerhin acht Fahrgästen Platz bietet. Auch wir haben diesen Service schon gerne in Anspruch genommen. Alleine saßen wir übrigens nie im Fahrzeug, einmal war es sogar bis auf den letzten Platz gefüllt! Das Taxi fährt also in aller Regel nicht leer durch die Gegend.

Schön wäre es allerdings, wenn an den Haltestellen darauf hingewiesen würde, dass abends der Bus durch ein Taxi ersetzt wird. Das würde so manche Verunsicherung ersparen. Und endlich könnte doch auch das Problem gelöst werden, dass der Bus in Weßling leer abfährt und Fahrgäste in die Röhre schauen, weil die S-Bahn wenige Minuten zu spät ankommt. Könnte man den freundlichen Taxifahrer aber anrufen und ihm mitteilen, dass man noch in der S-Bahn unterwegs ist und wann diese ankommen wird, dann ließe sich so manche nächtliche Wanderung von Weßling nach Hochstadt vermeiden.

Erschreckend ist allerdings, dass es in Zeiten, in denen Energie zu sparen oberstes Gebot sein sollte, nicht möglich ist, bestehende Verträge kurzfristig auf die sparsamere Lösung umzustellen. Schont der abendliche Betrieb mit einem Taxi doch die großen Busse, verbraucht weniger Treibstoff und verursacht weniger CO2-Ausstoß. Es würde sich auch anbieten, nicht nur abends, sondern ebenso an den Wochenenden die Busse durch kleinere Fahrzeuge zu ersetzen.

Aber anstatt schnell zu handeln, gibt man lieber eine Studie in Auftrag, um die Effektivität von Ruftaxen untersuchen zu lassen. Als ob es dazu nicht längst umfangreiche Erfahrungen geben würde. Nein, ein Ruftaxi, das man mindestens 45 Minuten vor Beginn der Fahrt anmelden muss, ist in vielen Fällen keine praktikable Lösung.

Gerhard Sailer
Mobilitätswende Weßling