von Gerhard Hippmann für Unser Dorf heute
„Die Förderung der Motorisierung ist das vom Führer und Reichskanzler gewiesene Ziel.” Dieser denkwürdige Satz leitete die vor 80 Jahren eingeführte Reichsgaragenordnung ein. Mit typisch deutscher Gründlichkeit wurde verordnet, bei der Errichtung von Gebäuden eine bestimmte Mindestanzahl von Kfz-Stellplätzen bereit zu stellen – bei der damaligen geringen Verbreitung von Kraftfahrzeugen eine im Grunde absurde Regelung, die seitdem allerdings eine enorme Wirkung entwickelt hat. Denn Autos können als Verkehrsmittel nur nützlich sein, wenn es an Start- und Zielort einen Parkplatz gibt. Da dieser „Geniestreich” des NS-Regimes im Prinzip bis heute als Teil der Landesbauordnung wirksam ist, konnte die Motorisierung über die vergangenen acht Jahrzehnte in ungeahntem Maße gesteigert werden – der „Führer” wäre entzückt!
Die bayerische Garagen- und Stellplatzverordnung (GaStellV) ist nicht nur einer der wichtigsten Treiber für die noch immer anhaltende Zunahme des Kraftverkehrs, welcher heute allerorts im Großraum München zu den dringendsten kommunalen Problemen zählt. Der vorgeschriebene Bau von Parkgelegenheiten hat auch großen Einfluss auf Raum- und Stadtplanung sowie das Ortsbild. Zersiedelung wird angefacht, und statt architektonisch ansprechender Häuserfassaden dominieren zunehmend Garagen, Carports und Parkplätze das Straßenbild – wollen wir das wirklich?
Im Jahr 2008 erließ die Gemeinde Weßling eine Stellplatzsatzung, die von Bauherren höhere Stellplatzschlüssel als die GaStellV verlangt. Beispielsweise müssen für eine Wohneinheit statt einem je nach Wohnfläche bis zu drei Stellplätze nachgewiesen werden. Dadurch steigen Kosten und Flächenverbrauch, und nicht selten muss Platz für Autos statt Wohnfläche für Menschen geschaffen werden – ist das noch zeitgemäß?
In der Regel wird argumentiert, dass die Stellplatzsatzung gebraucht wird, damit die Straßen nicht zugeparkt werden. Aber ist es nicht abwegig, dazu in das Baurecht einzugreifen und flächendeckend in Beton gegossene Kfz-Infrastruktur zu schaffen? Naheliegend wäre es doch, das Parken mit den vorhandenen Mitteln des Straßenverkehrsrechts zu regeln: Parkbeschränkungen und Bewohnerparken ermöglichen viel flexiblere Möglichkeiten, um den Straßenraum im gewünschten Maße autofrei zu halten – mittels Parkverbotszonen und Verkehrsberuhigten Bereichen sogar ganz ohne Schilderwald. Nicht zuletzt kann auf diese Weise der Zweckentfremdung von Garagen als Lagerraum begegnet werden.
Die Gemeinde Weßling kann also mehr und kostengünstigeren Wohnraum ermöglichen, das Ortsbild positiv beeinflussen und die Attraktivität der Autonutzung mindern, einfach indem sie auf die Stellplatzsatzung verzichtet und das Parken im öffentlichen Raum regelt. Oder gar eine neue, modernisierte Stellplatzsatzung mit innovativen Elementen erlässt: Ermäßigungszonen mit reduzierten Stellplatzanforderungen im Bahnhofsumfeld, Mehrfachnutzung von Stellplätzen, Berücksichtigung von Fahrradabstellplätzen sowie die Möglichkeit zur Wandelung von Kfz- zu Fahrradparkraum können die negativen Langzeitfolgen der GaStellV mildern. Dass dies auch ein wirkungsvoller Schritt in Richtung nachhaltige Mobilität wäre, versteht sich von selbst.