Modernisierte Stellplatzsatzung

Stellplatzverordnungen fördern die Kfz-Nutzung in einem sich selbst verstärkenden Prozess (Mitkopplung)

Seit dem 25. September gilt in der Gemeinde Weßling eine neue Stellplatzsatzung, die wesentliche Neuerungen bringt:

  • Neben Stellplätzen für Kfz sind jetzt auch Abstellplätze für Fahrräder nachzuweisen. Dadurch wird nicht mehr nur der Kfz-Verkehr, sondern in gleicher Weise auch der Radverkehr gefördert.
  • Bei guter ÖV-Anbindung kann durch Vorlage eines Mobilitätskonzepts (z. B. Carsharing, Bikesharing, zusätzliche Fahrradabstellanlagen) die Kfz-Stellplatzpflicht reduziert werden.
  • Die Wechselnutzung von Kfz-Stellplätzen für verschiedene Nutzungen (wie z. B. Grundschule und Sportplatz) kann zugelassen werden.
  • Bei Einverständnis der Gemeinde kann die Kfz-Stellplatzpflicht durch einen kostenpflichtigen Ablösevertrag reduziert werden.

Außerdem wurde die Anzahl der nachzuweisenden Kfz-Stellplätze geändert. Von besonderem Interesse sind hierbei die Richtzahlen für Wohngebäude: Nach der alten Satzung waren für Wohnungen mit bis zu 50 m² Wohnfläche ein, ab 50 m² zwei und ab 160 m² drei Stellplätze nachzuweisen. Nun sind für Wohnungen mit bis zu 60 m² ein, bis 100 m² eineinhalb und ab 100 m² zwei Stellplätze nachzuweisen; dabei ergeben sich wegen kaufmännischer Rundung für Einfamilienhäuser ab 60 m² zwei Stellplätze. Insgesamt wurde die Stellplatzpflicht also ein wenig reduziert, wobei die Obergrenze von zwei Stellplätzen durch neues Landesrecht (erstes Modernisierungsgesetz Bayern) festgelegt wird. Im Prinzip wird in der Gemeinde Weßling jedoch weiterhin davon ausgegangen, dass fast jede Einwohner:in ein Privatauto besitzt.

Die Praxis zeigt eindrücklich, dass eine Stellplatzpflicht erhebliche Nachteile mit sich bringt:

  • Die Verpflichtung zum Bau von Stellplätzen erhöht Baukosten bzw. Mieten erheblich und verursacht mehr Bürokratie.
  • Nachzuweisende Stellplätze auf privatem Grund führen zu deutlich erhöhter Flächenversiegelung. Tiefgaragen schädigen die Umwelt wegen massiver Klimawirkung und kurzer Lebensdauer in besonders hohem Maße.
  • Die stetig wachsende Anzahl an zwischen Straßen und Gebäudefassaden errichteten Garagen, Carports und Tiefgarageneinfahrten zerstört langsam aber sicher das (in der Gemeinde Weßling so hoch aufgehängte) Ortsbild.
  • Nicht zuletzt erhöhen Kfz-Stellplätze auf dem eigenen Grundstück erheblich die Attraktivität der Autonutzung und fördern somit die weitere Übermotorisierung der Gesellschaft – dafür wurden Stellplatzverordnungen bekanntlich erfunden.
Schulstraße: Fünf Stellplätze gemäß alter Stellplatzsatzung. Über nahezu die gesamte Grundstücksbreite steht Kfz-Infrastruktur im Vordergrund.

Erstaunlicherweise werden in Weßling wie in den meisten anderen bayerischen Kommunen all diese schwerwiegenden Nachteile in Kauf genommen, um zu erreichen dass „weniger Autos auf der Straße stehen“. Zumal die Praxis zeigt, dass dieses Ziel durch Stellplatzsatzungen nicht zuverlässig erreicht werden kann; denn die vorgesehene Nutzung der privaten Stellplätze kann nicht vorgeschrieben werden und ihre zweckfremde Nutzung wird nicht geahndet.

Im Grunde ist es eine absurde Idee, das verkehrsrechtliche Problem des legalen Parkens im Straßenraum durch massive Eingriffe in das Baurecht lösen zu wollen. Insofern ist es zu begrüßen, dass die Stellplatzpflicht nun auch in Bayern abgeschafft wurde. Doch leider wurde dabei ein Schlupfloch geschaffen, durch welches die Gemeinde Weßling eine zwar modernisierte, aber nach wie vor die Kfz-Nutzung anfachende Stellplatzsatzung erlassen konnte.

Etwa 50 Millionen Pkw belasten den öffentlichen Raum in Deutschlands Städten und Gemeinden, Tendenz weiterhin steigend. Die Bundespolitik stellt mit milliardenschweren Subventionen für Dienstwagen, Diesel, Pendler:innen und Straßenbau sowie Kaufprämien und ein autozentriertes Straßenverkehrsrecht unaufhörliches Wachstum der Autokonzerne ins Zentrum ihrer Verkehrspolitik. Nur beim Thema Stellplätze können Kommunen wirksam gegensteuern. Mit der neuen Stellplatzsatzung lässt die Gemeinde Weßling diese Chance weiterhin ungenutzt.

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