Archiv des Autors: Gerhard Hippmann

100 Tage autofrei

von Gerhard Sailer für Unser Dorf heute

Im August 2021 konntest du ein paar Tipps lesen, mit deren Hilfe sich einzelne Autofahrten leichter vermeiden lassen.

Zum Start ins neue Jahr haben wir uns etwas Neues vorgenommen: Wir wollen es schaffen, an mindestens 100 Tagen unser Auto gar nicht zu bewegen, also unserem Auto frei zu geben oder auch uns selbst vom Auto frei zu machen. Der Januar ist vorbei und wir liegen ganz gut im Rennen! Der Vorsatz hilft dabei, unsere Wege noch besser zu organisieren. Und das Überraschende daran: Ein Tag ganz ohne Auto ist ein ganz besonderer Genuss! Probiere es einfach mal aus. Wir freuen uns auf deine Rückmeldungen und sind gespannt, welche Familie die 100 autofreien Tage als erstes schafft und welche am Jahresende von den meisten autofreien Tagen berichten kann.

In einem Liter Kraftstoff stecken zehn Kilowattstunden gespeicherte Energie, für deren äquivalente Erbringung ein Mensch ca. 125 Stunden durcharbeiten müsste, was bei heutiger Arbeitskultur (40 Stunden/Woche) also ca. drei Wochen menschlicher Arbeit entspricht.

Aus dem Beitrag Europas Energiekrise von Norbert Rost auf peak-oil.com am 12. Februar 2022.

Richtige und falsche Verkehrsteilnehmer:innen

Leserbrief zum Beitrag Neuer Radweg am Ostufer in der Süddeutschen Zeitung vom 5. Februar 2022

Den Bürgermeistern Steigenberger und Grasl aus Berg und Münsing sei sehr daran gelegen, dass der Lückenschluss für den Fuß- und Radweg zwischen Allmannshausen und Weipertshausen „sowohl für die Verkehrsteilnehmer als auch für die Fußgänger und Radfahrer zügig kommt“!

Ja Herrschaftzeiten, was bin ich denn als Fußgänger oder Radfahrerin? Etwa kein Verkehrsteilnehmer? Waren Fußgänger vor tausenden von Jahren nicht die allerersten menschlichen Verkehrsteilnehmer überhaupt? Haben 100 Jahre, in denen in diesem Land die Verkehrsplanung nahezu ausschließlich auf das Auto ausgerichtet war, und Fußgänger in den größeren Städten in eigene Reservate (Fußgängerzonen) verbannt und ansonsten an den Rand bzw. auf enge, holprige Gehwege gedrängt und zusammen mit Radfahrern außerorts auf zerfurchte Wald- und matschige Feldwege verwiesen wurden, gereicht, um sie jetzt gar nicht mehr als Verkehrsteilnehmer wahrzunehmen? Während dessen dürfen Autos selbst ohne Insassen straf- aber auch sinnlos als „ruhender Verkehr“ bezeichnet werden und als solcher den Menschen in unseren Städten und Dörfern den Lebensraum wegnehmen.

Bürgermeister, die das Gros ihrer Bürger:innen derart diskriminieren, sollten ihren Hut nehmen, wenn schon nicht auf Dauer, dann doch einmal für vierzehn Tage. Dann hätten sie nämlich Zeit, ihre Gemeinden zu Fuß zu erkunden und auszuprobieren, wie viele Nachbarorte für Fußgänger und Radfahrer überhaupt auf direkten, sicheren und alltagstauglichen Wegen erreicht werden können!

Jedenfalls wage ich zu bezweifeln, dass mit politisch Verantwortlichen, in deren Gedankenwelt Fußgänger und Radfahrer nicht als Verkehrsteilnehmer vorkommen, eine klima- und menschenfreundliche Verkehrswende gelingen kann.

Gerhard Sailer
Mobilitätswende Weßling

Das Déjà-vu der Benzinpreis-Empörung macht einen ratlos. Der Aufschrei-Reflex wegen teurem Sprit gehört zu den chronischen Dummheiten einer Gesellschaft, die immer noch „Benzin im Blut“ zu haben scheint und die stur die Fakten ignoriert.

Aus dem Artikel Schluss mit dem Gejammer von Manfred Kriener auf taz.de am 5. Februar 2022.

Rückblick auf das neunte Jahr

Einmal mehr schauen wir zurück auf die Ereignisse und Aktivitäten der Mobilitätswende Weßling im vergangenen Jahr 2021.

Radl Werkstatt

Das Team der Radl Werkstatt hat sich mittlerweile in der Doppelgarage beim Kinderhaus Regenbogen eingewöhnt. Da dort keine Heizung zur Verfügung steht, blieb die Werkstatt im Winter geschlossen. Anschließend erreichte die Nachfrage trotz überlasteter Fahrradwerkstätten nicht wieder das gewohnt hohe Niveau. Der Rückgang geht anscheinend auf zunehmend eigenständige Geflüchtete zurück, die auf höherwertige Fahrräder oder Autos umgestiegen sind.

Radlständer-Vergleichstest

Nach vier Jahren Pause führte die Mobilitätswende in 2021 erneut einen Vergleichstest der Radlständer im Gemeindegebiet durch. Wie schon in der Vergangenheit waren sowohl bei den öffentlichen wie auch bei den gewerblichen Abstellanlagen kaum Fortschritte feststellbar. Zwar gibt es einige neue Radlständer (Friedhof Grünsinker Straße, Edeka, Sparkasse, Amselcafé und MK-Gesundheitszentrum), doch durch den Wegfall an anderen Standorten verminderte sich die Gesamtanzahl sogar um 16 Abstellplätze. Auch qualititiv hat sich kaum etwas getan: Die Gesamtschulnoten für öffentliche (3,3) sowie Radlständer für Kund:innen (3,6) blieben unverändert auf mäßigem Niveau. Immerhin besteht begründete Hoffnung, dass in 2022 endlich mit der Sanierung und Erweiterung der Abstellanlagen am Bahnhof begonnen wird, sodass bei diesem Thema einen Quantensprung vollzogen werden kann.

STAdtradeln

Nach dem Rekordergebnis im ersten Corona-Jahr 2020 verlief das STAdtradeln 2021 leicht unterdurchschnittlich. Der Rückgang ist sicherlich in erster Linie dem vielen regnerischen und gewittrigen Wetter während des Aktionszeitraums (20. Juni bis 10. Juli) geschuldet. Aber auch das allmähliche Abflachen des Corona-bedingten Radlbooms mag eine Rolle gespielt haben. So legten 337 Radlerinnen und Radler in 25 Teams 69.540 Kilometer für die Gemeinde Weßling zurück, das viertbeste Ergebnis im Landkreis hinter Starnberg, Gauting und Gilching. Einmal mehr siegte Weßling im Landkreis in der Wertung Kilometer/Einwohner:in mit großem Abstand. Und auch in der Parlamentarierwertung war Weßling erneut Spitze im Landkreis: Elf Gemeinderät:innen und ein Bürgermeister radelten 2794 Kilometer. Dieses deutliche Bekenntnis zum Radeln verleiht der Verkehrswende vor Ort wertvollen Rückenwind.

Radltag

Der dritte Radltag der Nachbarschaftshilfe fand am 20. Juni im Rahmen des STAdtradelns statt und verlief sehr erfolgreich. Neben dem zentralen Radlflohmarkt stand wieder das Team der Radl Werkstatt für Reparaturen zur Verfügung, der ADFC bot die Codierung von Fahrrädern an und die Mobilitätswende führte Einweisungen und Probefahrten mit dem Lastenpedelec LaRa 1 durch. Außerdem gab es eine Radltour für Neubürger:innen und neugierige Bürger:innen mit Beteiligung von Bürgermeister Michael Sturm. Die reibungslose Zusammenarbeit mit der Nachbarschaftshilfe und der große Zuspruch der Gäste machten den Radltag einmal mehr zu einer besonders erfreulichen Aktion.

Ferienprogramm

Nach der Corona-Zwangspause in 2020 konnte das Ferienprogramm der Nachbarschaftshilfe in 2021 wieder stattfinden. Am 5. August lud die Radl Werkstatt erneut zum Reparaturkurs ein. Die begrenzte Teilnehmerzahl tat dem Spaß am Schrauben keinen Abbruch – im Gegenteil. Vor allem das Ausschlachten gespendeter Radl und natürlich der abschließende Ausflug zum Eisessen am See kamen auch diesmal sehr gut an.

Kommunalpolitik

Die Zusammenarbeit von Gemeinde und Mobilitätsreferent Gerhard Hippmann entwickelte sich im Jahr 2021 positiv. Durch das vertrauensvolle Miteinander konnten zahlreiche Beschlüsse und Maßnahmen für verträgliche Mobilität auf den Weg gebracht werden:

Allerdings gab es auch einige Rückschläge zu verzeichnen:

  • Im Januar wurde die Einrichtung eines verkehrsberuhigten Geschäftsbereichs in der Bahnhofstraße von der unteren Verkehrsbehörde im Landratsamt abgelehnt.
  • Am 19. Januar wurde eine fahrradfreundliche Änderung der Vorfahrtsregelung Meilinger Weg – Steinebacher Weg von „Stop“ nach „Vorfahrt gewähren“ vom Gemeinderat abgelehnt.
  • Im April wurde die von der Gemeinde geforderte bauliche Verbesserung der Geh- und Radwegunterführung am Dellinger Kreisel vom Straßenbauamt abgelehnt.
  • Eine Querungshilfe über die Dorfstraße zwischen Riedbergweg und Kirchenstraße musste aufgrund der extrem ungünstigen Sichtverhältnisse verworfen werden.

Dennoch ist erfreulich, dass viele kleine Fortschritte erzielt werden konnten – und dass bereits eine ganze Reihe weiterer Maßnahmen für das kommende Jahr in Vorbereitung sind.

Sonstiges

In 2021 lieferte die Mobilitätswende nur einen Beitrag mit Tipps für (fast) autofreies Leben für UNSER DORF heute, denn für die erste Ausgabe des Jahres mit dem Schwerpunkt Klimaschutz wurde sie erstaunlicherweise nicht angefragt. Außerdem versuchte sie mit einer offenen E-Mail an die Radverkehrsbeauftragte des Landkreises, die Beendigung der unsäglichen Baustellenbeschilderung im Meilinger Weg zu veranlassen. Beim Thema Carsharing gab es leider keine Fortschritte.

Fazit

Die Förderung verträglicher Mobilität verlagert sich immer mehr von der Mobilitätswende als Ideengeberin in die Gemeindepolitik. Auf diesem direkten Weg konnten in 2021 viele kleinere Maßnahmen beschlossen und realisiert werden. Gleichzeitig nimmt die Handlungsfähigkeit der Mobilitätswende nicht zuletzt wegen Corona-Beschränkungen immer weiter ab, weil sich mangels regelmäßiger Treffen und Aktivitäten keine neuen Mitstreiter:innen finden. Wenn diese Entwicklung anhält spricht vieles dafür, dass die Mobilitätswende im zehnten Jahr 2022 ihre Aktivitäten einstellen wird – ähnlich wie es der aus der Zeit gefallene Verkehrsberuhigungsverein Ende 2020 getan hat.

Nachdem es im ersten Corona-Jahr 2020 vorübergehend so aussah, als ob unsere Gesellschaft einen nachhaltigeren Pfad einschlägt, befinden wir uns nun wieder auf dem desaströsen Wohlstand-durch-Wachstum-Kurs der Nachkriegszeit. Die Ernennung des neuen Bundesverkehrsministers deutet stark darauf hin, dass auch in den kommenden vier Jahren versäumt werden wird, Randbedingungen für eine echte Verkehrswende zu schaffen. Somit ist es für eine kleine Gemeinde kaum möglich, der privilegierten und hochsubventionierten Automobilität Einhalt zu gebieten – bestenfalls lassen sich einige Grundlagen für die unausweichlich nachhaltige Mobilität von übermorgen schaffen.

(Fast) ohne Auto? Probier es aus!

von Gerhard Sailer für Unser Dorf heute

Kaum etwas fällt uns schwerer, als Gewohnheiten zu ändern. Wie soll das also gehen, das Auto stehen zu lassen und öfter zu Fuß, mit dem Fahrrad oder gar mit Bus und Bahn unterwegs zu sein? Das wäre ja besser, fürs Klima und auch für deine Gesundheit! Ein Plan muss her! Und ein paar Tricks können helfen:

Zu Fuß geht es sich besser mit bequemen Schuhen und kleinere Einkäufe lassen sich gut im Rucksack tragen. Am besten mit Walking-Runden oder Spaziergängen beginnen. Du merkst schnell, wie gut das tut – und welche Besorgungen du gleich mit erledigen kannst.

Das Rad muss schneller zur Hand sein, als das Auto. Also: Gleich die Plätze in der Garage tauschen, sodass du immer zuerst dein Rad in die Hand nehmen musst – dann setzt du dich auch leichter drauf. Natürlich muss das Rad auch funktionieren, also eine Proberunde drehen, Luft aufpumpen und Bremsen und Licht testen.

Du willst deine Kollegen beeindrucken und mit dem Rad zur Arbeit fahren? Fang jetzt im Sommer damit an. Das fällt viel leichter und wenn die Blätter fallen, kannst du es ja wieder ausklingen lassen. Vielleicht packt dich aber auch der Ehrgeiz, du kaufst dir wasserdichte und warme Fahrradkleidung und dehnst die Fahrradsaison immer weiter aus.

Weißt du, wo die nächste Bushaltestelle ist und wann und wohin die Busse fahren? Schau doch einfach mal nach und überlege dir, welche Ziele sich so erreichen lassen. Diverse Apps erleichtern es dir, Verbindungen zu finden und Fahrkarten zu kaufen.

Jetzt brauchst du noch einen Speiseplan für die nächste Woche. Warum? Damit du einen Einkaufszettel schreiben kannst. So fällt es dir viel leichter, Einkäufe zusammen zu legen, und mancher Weg lässt sich ganz vermeiden. Vielleicht wird es ein großer Wocheneinkauf mit dem Auto und ein paar kleinere zu Fuß oder mit dem Rad. Auf jeden Fall besser als dreimal am Tag wegen einer Kleinigkeit ins Auto zu steigen, oder?

Und jetzt kommt das Wichtigste, und das passiert im Kopf! Jedes Mal, wenn du aus dem Haus gehst, stellst du dir diese Fragen: Kann ich das zu Fuß erledigen? Oder besser mit dem Rad? Ist das Ziel am besten mit Bus oder Bahn erreichbar? Erst, wenn du dir alle Fragen gestellt und ohne zu schummeln mit „nein“ beantwortet hast, darfst du dich auf die Suche nach dem Autoschlüssel machen.

Viel Spaß bei deinem neuen Leben vielleicht nicht ohne, aber jedenfalls mit viel weniger Auto!

Viele weitere Tipps gibt es im Buch Besser leben ohne Auto.

Willkommen in Weßling

Eigentlich sollte dieser Beitrag Anfang Mai veröffentlicht werden, aber die extrem fahrradunfreundliche Baustellenbeschilderung im Meilinger Weg hätte ihn damals zur Farce werden lassen – deshalb nun mit einem Vierteljahr Verspätung.

Wer öfters auf unbekannten Wander- oder Radwegen unterwegs ist, kennt das Phänomen: Eine neue Ortschaft ist erreicht, aber es ist unklar welche. Straßen für den Kfz-Verkehr sind stets mit Ortstafeln ausgestattet, Wege für aktiv mobile Menschen hingegen oft nicht. So auch der in den Meilinger Weg führende Geh- und Radweg aus Richtung Herrsching, von dem aus die Ortstafel der parallel verlaufenden Hauptstraße nicht einsehbar ist.

Seit Mai gehört diese Beschilderung aus Windschutzscheibenperspektive der Vergangenheit an. Auf Höhe des Skaterplatzes wurde eine spezielle Ortstafel für den Fuß- und Radverkehr installiert, die dem offiziellen Verkehrszeichen 310 ähnelt, aber hinsichtlich Abmessungen und Farbgebung der Radwegweisung zuzuordnen ist – sehr schick!

Auch an der nördlichen Ortseinfahrt aus Richtung Gilching gibt es gute Neuigkeiten: Nach jahrelangen zähen Verhandlungen mit Landratsamt und Straßenbauamt ist es endlich gelungen, die Furt des Geh- und Radwegs an der Einmündung Nelkenweg rot zu markieren. Denn was andernorts selbstverständlicher Standard ist, findet bei den für den Landkreis STA zuständigen Behörden nur ausnahmsweise Zustimmung. So wurde beispielsweise argumentiert, die Rotmarkierung sei gefährlich rutschig, in der StVO nicht vorgesehen oder wegen ausreichender Sicherheit einfach unnötig. Erfreulicherweise gehören diese Diskussionen nun der Vergangenheit an, denn nun sind alle vier kritischen Furten (Nelkenweg, Buchenweg, Neuhochstadter Straße, Aldi) in der Gemeinde Weßling rot markiert.