Archiv des Autors: Gerhard Hippmann

Wer auf einem Planeten, auf dem alle fünf Sekunden ein Kind unter zehn Jahren verhungert, Anbauflächen für Nahrung ihrem Zweck entfrendet und Lebensmittel als Kraftstoff verbrennt, begeht ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Aus dem Buch Wir lassen sie verhungern von Jean Ziegler, 2011.

Stummer Schrei nach friedlichen Straßen

Bei einer Rundfahrt durch die Weßlinger Ortsteile entdeckte die Mobilitätswende 29 inoffizielle (straßenverkehrsrechtlich nicht maßgebliche) Beschilderungen, die Kraftfahrer zu erhöhter Aufmerksamkeit und reduzierter Fahrgeschwindigkeit motivieren sollen. Alle Schilder berufen sich auf Kinder, für die sich der Kfz-Verkehr in besonders hohem Maße lebensbedrohlich und bewegungseinschränkend darstellt. Diese Problematik wird offenbar vielen Eltern bewusst, sobald der eigene Nachwuchs beginnt, sich selbständig fortzubewegen.

Polizei, Verkehrswacht und Autoclubs wollen Kinder so früh wie möglich durch Verkehrserziehung an die bestehenden Verkehrsverhältnisse, nach denen möglichst ungehinderter Kraftverkehr höchste Priorität genießt, anpassen. Ziel ist es (oft unbewusst), die offenbar auch in Weßling immer lauter werdenden Forderungen nach menschenfreundlicher Gestaltung des öffentlichen Raums weiterhin zu marginalisieren, sodass auch in Zukunft freie Fahrt für freie Kraftfahrer gewährleistet werden kann.

Die Mobilitätswende sieht Verkehrserziehung daher kritisch und setzt sich für Maßnahmen ein, die den Kfz-Verkehr beschränken und lokale Mobilitätsgerechtigkeit für Kinder, Senioren, Behinderte, Fußgänger und Radfahrer stärken:

In der Gemeinde Weßling, wo es mehr Kfz als volljährige Einwohner gibt, ist das ein Kampf gegen Windmühlen – aber der Wind dreht sich!

Das „Elektro“-Label wird zum Freibrief für fast alles, dessentwegen Autos zu Recht in Verruf sind. „Elektro“ wird Alibi für generelles „Weiter so“, gerichtet nicht nur gegen die überfällige Verringerung des Autoverkehrs, sondern auch gegen eine nachhaltige Mobilität des Miteinander.

Aus dem Beitrag Liegt die Zukunft in Elektro-Sauriern? von Helmut Holzapfel und Wolfgang Lohbeck auf Postwachstum.de am 21. September 2016.

Verkehrsberuhigung zum Mitmachen

von Gerhard Hippmann für Unser Dorf heute

Autolärmflagge

Autolärmflagge

Im kommenden Herbst wird die Westumfahrung eröffnet. In seiner Verkehrsuntersuchung aus dem Jahr 2008 prognostiziert Prof. Kurzak eine restliche Verkehrsbelastung von täglich 9.500 Kraftfahrzeugen auf der Hauptstraße. Das ist dreimal so hoch wie heute auf der Gautinger Straße – zu viel für eine wesentlich verbesserte Nutzbarkeit des Straßenraums (flanierende und verweilende Fußgänger, radelnde Kinder u. s. w.). Kurzak geht in seiner Prognose davon aus, dass die Umgehung gut angenommen wird und nur 700 Fahrzeuge Durchgangsverkehr verbleiben. Demnach müssen wir mit einer hausgemachten Verkehrsbelastung von ca. 8.800 Kfz am Tag rechnen.

Wir werden es also im Wesentlichen selbst in der Hand haben, ob die lang ersehnte Verkehrsberuhigung im Ort gelingt. Die Entscheidung über ein lebenswertes Weßling wird durch tägliche Abstimmung mit unserer Verkehrsmittelwahl gefällt.

Die Voraussetzungen sind eigentlich günstig: Die Gemeinde ist mittlerweile bestens an das öffentliche Personenverkehrsnetz angeschlossen, und alle möglichen innerörtlichen Wege sind so kurz, dass sie von den deutschen Stadtradelmeistern schnell und mühelos mit Fahrrad oder Pedelec zurückgelegt werden können. Der Umstieg zu sanfter Mobilität wird erheblich erleichtert durch technische Entwicklungen wie Smartphone-Apps für multimodale Mobilität, Fahrradanhänger und Lastenräder, LED-Beleuchtung und Spikereifen für Fahrräder und schicke Funktionsbekleidung für jede Witterung. Dennoch wird es sicherlich schwierig werden, bewusst und solidarisch die liebe Gewohnheit und den inneren Schweinehund mehrheitlich zu überwinden und die Autonutzung zu reduzieren.

mobil & lebenswert

Der Weg zu mitbürger- und umweltfreundlicher Mobilität soll aber nicht allein vom guten Willen der Bürgerinnen und Bürger abhängen. Ein außerordentlich breites Bündnis aus Vertretern von ADFC, Bund Naturschutz, Mobilitätswende, Ortsbildbeirat, SoKo, Unser Dorf, VCD, Verkehrsberuhigungsverein und allen Gemeinderatsfraktionen hat im Mai einen öffentlich tagenden Arbeitskreis gegründet, der das neue Langzeitprojekt „mobil & lebenswert” voran bringen will. Ziel ist es, Maßnahmen und Konzepte zu entwickeln und umzusetzen, die alle Ortsteile unserer Gemeinde mobil und lebenswert machen.

STAdtradeln leicht rückläufig

Historie der Weßlinger STAdtradel-Ergebnisse

Historie der Weßlinger STAdtradel-Ergebnisse

Die Gemeinde Weßling hat dieses Jahr zum sechsten Mal am STAdtradeln teilgenommen. Im dreiwöchigen Aktionszeitraum vom 19. Juni bis 9. Juli haben 344 aktive Radlerinnen und Radler in 23 Teams 69.243 km zurückgelegt. Während die bundesweite Aktion Stadtradeln weiterhin stark wächst, sind die Teilnehmer- und Kilometerzahlen in Weßling wie fast im gesamten Landkreis STA leicht rückläufig. Dabei spielten sicherlich das übermächtige Fußballfieber und das durchwachsene Wetter in den ersten beiden Wochen eine Rolle, es ist aber auch eine gewisse STAdtradel-Müdigkeit sowohl bei den Radlerinnen und Radlern, als auch bei den Koordinatoren und Teamkapitänen erkennbar. Und so ist Weßling in der Bundeswertung Fahrradaktivste Kommune mit den meisten Radlkilometern pro EinwohnerIn mit 12,98 km erstmalig nicht unter den ersten drei, aber weiterhin mit Abstand führend im Landkreis.

In diesem Jahr hatte der Landkreis einen Preis von 2.000 € für die Kommune mit dem besten Ergebnis in der Wertung Fahrradaktivstes Kommunalparlament ausgelobt. Während in der Siegergemeinde Inning alle(!) Gemeinderäte mitmachten, ließen sich leider 14 der 21 Räte aus Weßling trotz freundlicher Aufforderung auch dieses Jahr nicht dazu bewegen, mit ihrer Teilnahme am STAdtradeln ein Zeichen für umwelt- und mitbürgerfreundliche Mobilität zu setzen – das ist entäuschend für die vielen ehrenamtlich tätigen STAdtradel-Engagierten im Ort. Allen STAdtradelverweigerern und –kritikern ist übrigens gemein, dass sie keinen konstruktiven Vorschlag für eine wirkungsvollere Aktion zur Förderung des Radfahrens haben.

Aber nach dem STAdtradeln ist vor dem STAdtradeln. Im kommenden Jahr werden die Karten neu gemischt und es besteht die Chance, mit neuen Ideen und Impulsen zu alter Stärke zurückzufinden. Der Anfang vom Ende des fossilen Zeitalters und die immer deutlicher erkennbare Zukunftsunfähigkeit der totalen Autogesellschaft werden den Zielen des STAdtradelns langfristig zum Durchbruch verhelfen – ganz unabhängig vom guten Willen der Weßlinger Gemeinderäte.

In der Postmoderne steht ein Auto nicht mehr für Prestige, sondern für Provinzialität und Abhängigkeit, während das Fahrrad ein Symbol ist für Jugendlichkeit und Flexibilität.

Aus dem Artikel Der Straßenkampf von Charlotte Parnack auf Zeit Online am 17. September 2015.

Weßling wird radlfreundlicher

Es gibt gute Nachrichten für Weßlinger Radler und Fußgänger: Am Bahnhof wurde eine Servicestation für Fahrräder installiert, und der Geh- und Radweg entlang der Staatsstraße 2068 wurde mit einer Beleuchtung ausgestattet.

Radlservicestation am Bahnhof

Radlservicestation am Bahnhof

Seit diesem Montag steht am Bahnhof hinter dem Eingang der Gemeindebücherei eine hochwertige Fahrradreparaturstation. Eine Radlaufhängung, angeleinte Werkzeuge und eine Luftpumpe ermöglichen es in unserem fahrradladenlosen Ort, Fahrräder wieder flott zu machen. Damit wird Weßling im Landkreis zum Vorreiter im Bereich Service, einer der vier Säulen der Radverkehrsförderung neben Infrastruktur, Information und Kommunikation.

Die Servicestation wurde entsprechend dem Vorschlag der Mobilitätswende mit dem Preisgeld für das landkreisbeste Ergebnis beim STAdtradeln 2015 angeschafft. Genauso wie die vorbildliche Abstellanlage beim Kiosk am See haben also die Weßlinger mit ihrem hervorragenden Einsatz beim STAdtradeln eine weitere gemeinnützige Einrichtung erradelt. Die Unkenrufe über sinnloses Gestrampel wurden einmal mehr widerlegt.

Geh- und Radwegbeleuchtung beim DLR

Geh- und Radwegbeleuchtung beim DLR

Weniger plakativ, aber mindestens genauso nützlich ist die neue LED-Beleuchtung des Geh- und Radwegs zwischen dem Kreisel beim Feuerwehrhaus und dem DLR. Sie ist insbesondere für in Richtung Weßling gehende Fußgänger, aber auch Radler segensreich, weil sie die starke Blendwirkung durch den auf der höher gelegenen Straße fahrenden Kfz-Verkehr entschärft.

Gemäß den vom Arbeitskreis Radverkehr STA erarbeiteten Qualitätskriterien für Alltagsradverbindungen sollen außerörtliche Wege nur dann beleuchtet werden, wenn sie hohes Rad- und Fußverkehrsaufkommen aufweisen. Dieses Kriterium ist zwischen Weßling und der DLR-Einfahrt erfüllt, sodass die Mobilitätswende einen entsprechenden Vorschlag machte, der vom Gemeinderat befürwortet wurde.

Beide Maßnahmen stellen deutliche Fortschritte auf dem Weg zur fahrradfreundlichen Gemeinde Weßling, aber auch schöne Erfolge der Mobilitätswende dar. Wir danken Herrn Bürgermeister Muther, der Radverkehrsbeauftragten, der Gemeindeverwaltung und dem Gemeinderat für die konstruktive Zusammenarbeit – und sind gespannt auf Rückmeldungen der Nutzer.

Heute ist Autofahren nur noch gestrig.

Was, bitteschön, soll modern daran sein, wenn über eine Tonne Stahl in Gang gesetzt werden muss, um einen durchschnittlich siebzig Kilo schweren Menschen zu transportieren?

Heute ist das beste Auto das, das erst gar nicht gebaut wird.

Aus dem Kommentar Das Problem sind die Autos von Lioba Werrelmann auf wdr.de am 19. September 2015.

Buslinien: Hausaufgaben erledigen

Leserbrief zu den Beiträgen Expressbus zur U-Bahn und Hohe Kosten für neue Buslinien verärgern Weßlinger in der Süddeutschen Zeitung vom 24. Juni 2016

Mit immer neuen Buslinien kann man als Verkehrsmanagerin natürlich viel Lob einheimsen und kaum ein Gemeinderat kann es sich leisten da nein zu sagen, auch wenn ihn die hohen Kosten nerven. Hoch erscheinen die Kosten für diese Buslinien aber vor allem deshalb, weil weder Frau Münster noch der Weßlinger Gemeinderat die dazugehörigen Hausaufgaben erledigen. Die Weßlinger haben keinen Profit von Bussen die entweder leer durch das Gemeindegebiet fahren oder zu deren Endhaltestelle am Weßlinger Bahnhof immer mehr Pendler aus den Nachbargemeinden und den Weßlinger Ortsteilen mit ihren Autos nach Weßling kommen und den Ort nicht nur bei An- und Abfahrt, sondern auch noch den ganzen Tag über mit ihrem geparkten Fahrzeug belasten.

Verkehrsmanagerin und Gemeinderat müssen endlich zur Kenntnis nehmen, dass Park and Ride ein längst überholtes Verkehrskonzept der 60er und 70er Jahre ist. Moderne Konzepte bieten Lösungen dafür den ganzen Weg von Zuhause bis zum Ziel ohne Auto zurückzulegen. In Weßling werden diese Lösungen aber erst greifen, wenn die Parkplätze am Bahnhof reduziert werden. Ohne Längsparkplätze wäre in der Bahnhofstraße genug Platz für eine zusätzliche Buslinie und Radler und Fußgänger könnten sich endlich wieder sicher bewegen.

Und warum ist zum Beispiel der 955er Bus von Starnberg Nord nach Weßling zwar beliebt, aber tagsüber und am Samstag trotzdem meist leer? Er führt über Hochstadt und Oberpfaffenhofen und die Haltestellen in beiden Orten liegen im Ring 9. Sie wurden damit völlig willkürlich weiter nach außen verlagert als Weßling und Starnberg Nord.

Was das bedeutet? Nicht ganz so schlimm: Pendler aus Hochstadt nach München müssen eine Kurzstrecke zusätzlich stempeln. Viel schlimmer: Wer zum Beispiel von Hochstadt Schule mit dem Bus einen Krankenbesuch im Klinikum Starnberg erledigen möchte zahlt dafür sage und schreibe 5,40 € – für die einfache Fahrt von ca. 9 km Länge.

Im Vergleich dazu: Mit dem Expressbus von Starnberg Nord nach Buchenau zu fahren kostet 2,70 € für mehr als 30 km! Zwischen Hochstadt und Starnberg kostet der Bus-Kilometer also 60 Cent, zwischen Starnberg und Buchenau dagegen nur 9 Cent! Mit solchen Preisen und Preisunterschieden treibt man Fahrgäste zurück ins Auto oder man verleitet sie zum Schwarzfahren. Der Verweis auf eine Tarifreform am Sankt-Nimmerleinstag hilft da nicht weiter – da muss Frau Münster sofort aktiv werden. Und die Weßlinger Gemeinderäte sollten sie dabei kräftig unterstützen. Ansonsten investieren sie viel Geld in tolle Busse und der Profit für Weßling – weniger Autoverkehr – bleibt trotzdem aus!

Gerhard Sailer
Mobilitätswende Weßling