Archiv der Kategorie: Fahrradfreundliche Gemeinde

Infos und Aktionen zum Projekt: Weßling auf dem Weg zur fahrradfreundlichen Gemeinde

Radlständer-Vergleichstest 2021

Gut Mischenried: Einzige überdachte Abstellanlage für Kund:innen, mit ungewöhnlichen Lenkerhaltern

Einer der wichtigsten Treiber für den immer problematischeren Siegeszug des Autos ist die systematische Bereitstellung von Stellplätzen und Parkraum. Seit Ende der 30er Jahre schreiben Stellplatzverordnungen minutiös vor, wie viele Kfz-Stellplätze bei jedem Bauvorhaben mindestens herzustellen sind. Und seit dem Bremer Laternenparkerurteil aus dem Jahr 1966 ist das ständige Lagern von Autos auf öffentlichen Straßen stets erlaubt, sofern es keinen Anordnungsgrund für ein Haltverbot gibt. Nur mit der Etablierung dieser extrem aufwändigen, in Beton gegossenen Infrastruktur konnte das Auto trotz seiner miserablen Flächeneffizienz zum Massenverkehrsmittel entwickelt werden. Heute erscheint die Förderung des Kraftverkehrs völlig aus der Zeit gefallen, wird durch Politik und Behörden aber dennoch mit unvermindertem Eifer fortgeführt.

Anders sieht es beim Radverkehr aus: Die Bereitstellung von Abstellanlagen für Fahrräder ist nur vereinzelt durch kommunale Satzungen geregelt, welche zudem nicht immer konsequent angewendet werden. Die für die Attraktivität des Radverkehrs wichtige Verfügbarkeit qualitativ und quantitativ überzeugender Fahrradparker hängt daher meist vom guten Willen von Bauherren, Geschäftsleuten und öffentlichen Einrichtungen ab. Das gilt auch für die Gemeinde Weßling, denn die am 11. Mai 2016 vom Ausschuss für Umwelt, Klimaschutz, Energie und Mobilität beschlossene Aufnahme von Fahrradabstellplätzen in die Stellplatzsatzung wurde bis heute nicht umgesetzt.

Die Mobilitätswende hatte bereits in den Jahren 2014, 2015 und 2016 Radlständer-Vergleichstests durchgeführt, um die Abstellanlagen in der Gemeinde Weßling zu bewerten. Dabei konnten allerdings nur geringe Unterschiede zwischen den Jahren festgestellt werden, sodass diese neue Auflage des Vergleichstests nach einem Zeitraum von fünf Jahren erscheint. Die in der ersten Ausgabe ausführlich beschriebenen Kriterien sowie das auf Schulnoten basierende Bewertungsschema bleiben unverändert.

Öffentliche Radlständer

Neuer Radlständer im Friedhof Grünsinker Straße

Bei den Radlständern öffentlicher Einrichtungen gibt es erstaunlich wenig Änderung. Zwar kamen beim Friedhof in der Grünsinker Straße vier und beim alten Rathaus Weßling zwei neue Abstellplätze hinzu, allerdings wurden beim Hort vier und bei der Kinderkrippe Vogelnest zwei entfernt, sodass die Gesamtanzahl unverändert bei 450 liegt. Auch die durchschnittliche Gesamtnote von 3,3 bleibt gleich. Immerhin sind nun 37 von 47 Einrichtungen mit einer Abstellanlage ausgestattet, aber nur fünf davon werden als gut bewertet.

Der größte Handlungsbedarf herrscht zweifellos am Bahnhof. Hier sind in den kommenden Jahren deutliche Fortschritte zu erwarten, denn die Umsetzung der Erneuerung der Abstellanlagen ist bereits im Gang. Der weitere Zeitplan ist jedoch ungewiss, da die Gemeinde auf Gestattungsverträge der Bahn angewiesen ist, welche wiederum von der Planung des bevorstehenden Bahnhofumbaus abhängen.

Radlständer für Kund:innen

Bei den Radlständern für Kund:innen gibt es mehr Veränderung. Das liegt aber nicht an einem gesteigerten Engagement der Gewerbetreibenden, sondern an Eröffnungen bzw. Schließungen sowie Um- und Neubauten. So gab es während der Erhebung im Mai beim Gasthof Schuster (Schließung und Abriss), Hotel Post (Abriss und Neubau) sowie beim Hotel Seehof (Neugestaltung des Außenbereichs) keine Abstellanlagen mehr. Bei letzteren besteht Hoffnung, dass schon bald qualitativ hochwertige Radlständer in ausreichender Anzahl installiert werden. Immerhin 20 neue Abstellplätze kamen in die Wertung, weil erstmalig das Gut Mischenried in die Erhebung einbezogen wurde. Die Hälfte davon ist sogar mit einer Überdachung ausgestattet, was in dieser Kategorie leider einmalig ist.

Neuer Radlständer beim Edeka

Der Edeka-Markt ist das wohl am stärksten von Radler:innen frequentierte Geschäft in Weßling. Hier wurde der alte, ramponierte Radlständer mit 11 Plätzen durch einen zweiten Sechsfach-Parker ersetzt. Das ist aufgrund des Diebstahlschutzes durchaus ein Fortschritt, Gesamtanzahl und Seitenabstand sind allerdings nach wie vor nicht überzeugend. Außerdem gibt es einen neuen Anlehnbügel bei der SB-Geschäftsstelle der Sparkasse, drei neue Abstellplätze beim Amselcafé, fünf im MK-Gesundheitszentrum sowie einige marginale Änderungen bei anderen Geschäften. Verschwunden sind indes die Radlständer bei Hof Art, der Schreinerei Leutenbauer sowie der Spenglerei/Dachdeckerei Bernlochner. In der Gesamtbilanz reduzierte sich die Anzahl der Abstellplätze von 220 auf 204, wobei die Gesamtnote unverändert bei 3,6 liegt.

Manche Fahrradparker sind bis zur Unbenutzbarkeit verstellt

Es ist bekannt, dass radelnde Kund:innen dem lokalen Einzelhandel treuer bleiben, mehr Umsatz generieren und keine Pkw-Stellplätze beanspruchen. Daher ist schwer nachvollziehbar, warum nur 41 von 79 Gewerbetreibenden Fahrradabstellplätze anbieten, von denen gerade einmal fünf mit gut und kein einziger mit sehr gut bewertet werden. Nicht selten sind Radlständer verwahrlost, verstellt oder kaum auffindbar. Hier ist in Sachen Wertschätzung und Fahrradfreundlichkeit noch viel Luft nach oben. Hoffentlich verbessert sich die Lage in Zukunft durch die angekündigte Förderung von Abstellanlagen im Einzelhandel im Rahmen des nationalen Radverkehrsplans 3.0. Die Mobilitätswende bietet nach wie vor an, bei Planung und Auswahl von Radlständern beratend zur Seite zu stehen.

Auswertung

Auswertung der Kategorie: Öffentlich

Auswertung der Kategorie: Für Kund:innen

Auswertung als Tabellendokument

Fazit

In den vergangenen fünf Jahren hat sich die Situation hinsichtlich Fahrradabstellanlagen nicht verbessert. Kleine Verbesserungen bei den öffentlichen Einrichtungen werden von Verschlechterungen bei den Gewerbetreibenden überkompensiert. Damit Weßling tatsächlich eine fahrradfreundliche Gemeinde wird, muss in Sachen Radlständer noch viel passieren.

Containerdorf: Hochwertigste Radlständer in der Gemeinde

Die qualitativ hochwertigsten Radlständer in der Gemeinde gibt es übrigens dank einer Initiative des Integrationspunkt Weßling im Containerdorf für Geflüchtete, freilich außerhalb der Bewertungskategorien dieses Vergleichstests. Hier fehlt nur ein (aufgrund von Bestimmungen nicht zulässiger) Witterungsschutz. Eine dermaßen optimale Lösung, die erstmalig eine Bewertung mit der Note eins verdient, ist immerhin für die Abstellanlagen am Bahnhof in Aussicht.

Fahrradunfreundlicher geht es nicht

E-Mail vom 13. April 2021 an die Radverkehrsbeauftragte des Landkreises Starnberg

Sehr geehrte Frau S.,

am Meilinger Weg in Weßling, Teil der überörtlichen Radroute Herrsching – Weßling – Gilching, errichtet die Gemeinde Weßling ein neues Schulgebäude. Wegen des Baustellenverkehrs wurde die dortige Fahrradstraße aufgehoben und das Schild „Radfahrer absteigen“ angebracht. Damit dürfen Kfz in diesem Bereich statt bisher 30 jetzt 50 km/h fahren, während Radfahrer absteigen und 260 m schiebend zurücklegen sollen.

Diese Regelung ist eines „fahrradfreundlichen“ Landkreises keinesfalls würdig! Die Baustellenrichtlinien der AGFK sehen auch an Baustellen durchgängige Fahrspuren für Radfahrer vor. Es ist zu erwarten, dass das Absteigegebot von den Radfahrern nicht beachtet wird – wie auch Autofahrer ein Schild „Autofahrer aussteigen“ oder Fußgänger ein Schild „Fußgänger stehen bleiben“ nicht beachten würden.

Um im Bereich der Baustelle die Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer sicherzustellen, sollte ein Tempolimit von 10 km/h angeordnet werden. Die Beschränkung sollte auf Werktage beschränkt werden, da an Wochenenden und Feiertagen einerseits kein Baustellenverkehr stattfindet und andererseits dann besonders viele Freizeitradler unterwegs sind. Der Bauaufsicht sollte vorgegeben werden, dass Verschmutzungen jeweils unverzüglich zu beseitigen sind.

Alternativ könnte geprüft werden, den Radverkehr über die parallel verlaufende Hauptstraße zu leiten, dort die Fahrbahn für Kfz zu verengen und eine gesicherte Fahrradspur anzulegen.

Ich bitte sehr darum hier unverzüglich für eine fahrradfreundliche Regelung zu sorgen und dabei zu bedenken, dass die Regelung mit Sicherheit für viele Monate gelten wird.

Mit freundlichen Grüßen,
Gerhard Sailer
Mobilitätswende Weßling

Antwort vom 13. April 2021

Sehr geehrte Damen und Herren,

leider steht unsere Radverkehrsbeauftragte kurzfristig für einen längeren Zeitraum nicht zur Verfügung. Daher bitten wir um Ihr Verständnis, dass es ggf. zu einer längeren Bearbeitungszeit kommen kann. Wir werden Ihr Anliegen so schnell wie möglich bearbeiten.

Mit freundlichen Grüßen
Stabsstelle Verkehrsmanagement

Update vom 16. Juli 2021

Nach mehr als drei Monaten wurden die Zusatzzeichen „Radfahrer absteigen“ diese Woche endlich von der Gemeinde entfernt. Das Landratsamt hatte sich allerdings nicht um diese Sache gekümmert, und die Verkehrspolizei hatte die vorgeschlagene Geschwindigkeitsbegrenzung von 10 km/h auf Rückfrage entschieden abgelehnt. „Beschränkung des fließenden Verkehrs“ setzen die Behörden offenbar selbst auf einer hoch priorisierten Radroute mit „Beschränkung des Kfz-Verkehrs“ gleich, während der Radverkehr weiterhin wie selbstverständlich marginalisiert wird.

Unterdessen hatten Verkehrswende-Aktivisten die Initiative ergriffen und für eine Gleichberechtigung der Verkehrsteilnehmer:innen im Meilinger Weg gesorgt:

Rückenwind für den Radverkehr

Lastenpedelec LaRa 1 mit Anhänger im Einsatz

Im ersten Quartal 2021 hat der Gemeinderat Weßling einige Entscheidungen getroffen, die den Fuß- und Radverkehr voran bringen.

Geschwindigkeitsbeschränkung Grünsinker Straße

Seit die Grünsinker Straße für den Durchgangs-Kfz-Verkehr gesperrt ist, wird sie überwiegend von Fußgänger:innen und Radler:innen genutzt. Bei schönem Wetter lässt sich erfreulicherweise beobachten, wie Menschen zahlreich die ehemalige Staatsstraße zurück erobern. Allerdings handelt es sich baulich und rechtlich nach wie vor um eine Landstraße, auf der 100 km/h schnell gefahren werden kann und darf.

Der Gemeinderat sprach sich am 19. Januar mit großer Mehrheit für eine Geschwindigkeitsbegrenzung aus. Zwischen Ortstafel und Waldrand soll auf 60 km/h und im Wald auf 30 km/h, jeweils mit Zusatzzeichen „Achtung Fußgänger“ beschränkt werden. Diese Maßnahme erfordert allerdings noch eine Zustimmung vom Landratsamt, welche leider nicht selbstverständlich ist.

Schutzstreifen Gautinger Straße

Die nordwestliche Gautinger Straße ist zwischen den Einmündungen Hauptstraße und Adelbergweg durchwegs mindestens 6,0 m breit. Damit ist genug Platz für die Einrichtung eines einseitigen Fahrradschutzstreifens vorhanden. Diese Maßnahme ist sinnvoll in Richtung Oberpfaffenhofen, weil aufgrund der Steigung besonders große Geschwindigkeitsunterschiede zwischen Radler:innen und Kfz auftreten. Der Gemeinderat befürwortete diesen Vorschlag am 23. Februar einstimmig.

Mit dem Beschluss ist ein erster wichtiger Schritt getan. Die Maßnahme muss aber noch durch das Landratsamt genehmigt werden. Die Chancen dafür stehen wahrscheinlich nicht schlecht, weil der Landkreis zurzeit die Einrichtung von Schutzstreifen forciert.

Unterführung Mitterwiese

Unterbrochener Wirtschaftsweg an der Mitterwiese

Durch den Bau der Umfahrung Weßling wurde der bei Wander:innen und Radler:innen sehr beliebte Waldweg von Weßling nach Steinebach über die Mitterwiese und den Golfplatz durchtrennt. Seitdem muss der Radverkehr 120 m auf der Umfahrung fahren und dann nach links abbiegen, um auf die andere Seite zu kommen – lebensgefährlich bei zulässigen 100 km/h für den Kraftverkehr. Der Gemeinderat sprach sich am 23. Februar einstimmig und mit Nachdruck dafür aus, den Bau einer Unterführung für den Fuß- und Radverkehr anzugehen (Artikel Süddeutsche und Merkur).

Auch in dieser Sache ist eine Umsetzung durchaus wahrscheinlich, denn niemand hat sich bisher dagegen ausgesprochen, und für das Vorhaben kann voraussichtlich eine hilfreiche Förderung beantragt werden.

Förderprogramm für Lastenräder und Fahrradanhänger

Förderprogramme für Lastenräder und Fahrradanhänger werden von vielen Kommunen angeboten und erfreuen sich bei Bürgerinnen und Bürgern großer Beliebtheit. Diese Maßnahmen haben den Charme, dass sie tatsächlich das Potenzial haben, Autofahrten bzw. Zweit- und Drittwagen zu ersetzen. Das wird mit jeder Fahrt sichtbar gemacht, sodass sich solche Förderprogramme selbst verstärken.

Am 17. März beschloss der Ausschuss für Umwelt, Klimaschutz, Energie und Mobilität mit deutlicher Mehrheit, auch in der Gemeinde Weßling Lastenräder (Zuschuss 500 €) und Fahrradanhänger (150 €) zu fördern.

Beitritt zur Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommunen

Ebenfalls am 17. März wurde einstimmig beschlossen, dass die Gemeinde der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommunen in Bayern (AGFK) beitritt und somit eine Zertifizierung als fahrradfreundliche Gemeinde anstrebt. Dieses Ziel vor Augen wird in den kommenden Jahren sicherlich hilfreich und motivierend sein.

Kreuzung Meilinger/Steinebacher Weg

Fahrradfreundlichere Vorfahrtsregelung an der Kreuzung Meilinger/Steinebacher Weg

Es kommt selten vor, dass eine Maßnahme zur Förderung des Radverkehrs im Konzept für das Alltagsradroutennetz STA enthalten ist und sowohl vom Landratsamt, als auch von der Verkehrspolizei ausdrücklich begrüßt wird. Dies ist der Fall an der Kreuzung Meilinger/Steinebacher Weg, wo der Radverkehr auf der Radroute Herrsching-München mit höchster Priorität auf einer Fahrradstraße geführt wird. Alles spricht daher dafür, den Meilinger Weg zu bevorrechtigen oder wenigstens die Stop-Beschilderung durch „Vorfahrt gewähren“ zu ersetzen.

Aus schwer nachvollziehbaren Gründen fand diese Lösung am 19. Januar aber keine Mehrheit im Gemeinderat. Weil sich die Beschilderung durch den Bau der Grundschule mittelfristig sowieso ändern wird, ist diese Fehlentscheidung aber verschmerzbar.

Insgesamt gibt es zurzeit in der Gemeindepolitik also viel Schwung für den Radverkehr. Damit die Maßnahmen umgesetzt werden, müssen allerdings noch die übergeordneten Behörden mitspielen und die Gemeindeverwaltung ihre Hausaufgaben machen. Wir drücken die Daumen, dass das in allen Fällen gelingt!

Windschutzscheibenperspektive

Die Straßenausstattung der Gemeinde Weßling hat häufig alleine den Kraftverkehr im Blick. So wird der verträgliche, nicht motorisierte Verkehr nicht nur durch die überholte Straßenverkehrsordnung, sondern zusätzlich aufgrund ihrer autozentrierten Umsetzung benachteiligt. Dabei werden Fußgänger:innen und Radler:innen sicherlich nicht bewusst diskriminiert, sondern aufgrund subjektiver Wahrnehmung in den zuständigen Behörden unabsichtlich übersehen. So bleibt im Unterbewusstsein der Verkehrsteilnehmer:innen der Kraftverkehr das Maß der Dinge – und die soziale Inklusion nicht motorisierter Menschen ist nicht gewährleistet.

Wo bin ich?

Wer zu Fuß oder mit dem Radl auf dem Geh- und Radweg aus Richtung Delling kommt, erspäht zunächst links Sportstätten, um dann nach einem Gefälle mit einem Stop-Verkehrszeichen in unserer Gemeinde begrüßt zu werden. Da es keine Ortstafel gibt tappen Ortsfremde im Dunkeln, in welchem Ort sie sich befinden. Es versteht sich von selbst, dass an der parallel verlaufenden Hauptstraße eine Ortstafel steht, die allerdings vom Meilinger Weg aus nicht einsehbar ist.

Am Ende der Welt

Die Grünsinker Straße ist hinter der Grünsinker Kapelle für den Kfz-Verkehr gesperrt, stellt aber eine bedeutende Radverkehrsverbindung nach Etterschlag und Schluifeld/Steinebach dar. Dennoch fehlt auf der Ortstafel an der Weßlinger Ortsausfahrt die Angabe der nächsten Ortschaft – die Beschilderung erfolgte offenbar allein aus Sicht des hier eigentlich unbedeutenden Kraftverkehrs.

Radweggenehmigungspflicht

Wer dennoch weiter in Richtung Grünsink radelt, trifft auf das Verkehrszeichen „Gemeinsamer Geh- und Radweg“ mit Zusatzzeichen „Durchfahrt nur mit Genehmigung“. Das macht zwar aus Windschutzscheibenperspektive Sinn, doch für Radlerinnen und Radler ist völlig rätselhaft, warum sie eine Genehmigung für die Durchfahrt brauchen und wie sie diese bekommen können.

Geheimnisvolle Straßennamen

An der Ortsausfahrt in Richtung Gilching auf Höhe der Einmündung Nelkenweg geht die Hauptstraße in die Münchener Straße über. Wie üblich werden hier die Verkehrsteilnehmer:innen mit entsprechenden Straßennamensschildern informiert. Diese sind allerdings einseitig ausgeführt, sodass sie nur für den Kfz-Verkehr ablesbar sind. Benutzer:innen des stark frequentierten Geh- und Radwegs wurden einmal mehr nicht berücksichtigt.

Spieglein, Spieglein

Im Leitgarten befindet sich an der Einmündung in die vorfahrtsberechtigte Hochstadter Straße ein Verkehrsspiegel, der die Sicht in Richtung Süden verbessert. Obwohl vom gegenüber liegenden Ende des Weges zur Ettenhofener Straße die Sichtbeziehung nach Norden noch wesentlich schlechter ist, suchen Fußgänger:innen und Radler:innen dort vergeblich nach einem Verkehrsspiegel. Anscheinend sind nur motorisierte Verkehrsteilnehmer:innen diesen Aufwand wert.

Richtungsweisend

Als die Bahnhofstraße zur Einbahnstraße erklärt wurde, war der Radverkehr von Beginn an auch in Gegenrichtung zugelassen – sehr gut! Allerdings wurden dieses Jahr zur Verdeutlichung bzw. Erinnerung Richtungspfeilmarkierungen ergänzt, die einmal mehr völlig sinnfrei für den Radverkehr sind.

Auch die Beschilderungen zur vorgeschriebenen Fahrtrichtung in sämtlichen Einmündungen sind für Radler:innen einfach Nonsens.

Diese Beispiele belegen nicht nur, dass auch in der Gemeinde Weßling unter Verkehr häufig nur Kraftverkehr verstanden wird. Sie verdeutlichen auch, wie bedeutsam die Einrichtung der ersten Fahrradstraße ist, denn sie stellt ein klares Bekenntnis zum Ziel „nichtmotorisierter Verkehr wird bevorzugt“ aus dem Leitbild der Gemeinde dar. Insofern besteht Hoffnung, dass die genannten Mängel in absehbarer Zeit beseitigt werden.

Neue Rekorde für Weßling beim STAdtradeln

Seit 2011 nimmt die Gemeinde Weßling an der Klimaschutzaktion Stadtradeln teil. Wegen der Corona-Krise war vorab ungewiss, wie in diesem Jahr die Beteiligung ausfällt. Jetzt steht fest: auch in unserer Region hat das Virus den Radverkehr erheblich beflügelt.

STAdtradel-Ergebnisse seit 2011

In den drei Wochen vom 21. Juni bis 11. Juli radelten für unsere Gemeinde 450 aktive Teilnehmer:innen in 27 Teams 104.824 Kilometer weit. Damit wurde der Rekord von 93.374 km aus dem Jahr 2018 deutlich übertroffen. In der Wertung Kilometer pro Einwohner:in erzielte Weßling mit 19,14 km einmal mehr das mit Abstand beste Ergebnis im Landkreis.

Eine große Überraschung gab es in der Kategorie Parlamentarier:innen-Kilometer, in die nur Gemeinderät:innen und Bürgermeister:innen eingehen. Mit einer Beteiligung von 13 von 21 = 62 % und 2943 gefahrenen Kilometern war Weßling erstmalig auch hier die Nummer eins im Landkreis. Das ist wirklich erstaunlich, denn vor zwei Jahren landeten die Weßlinger Kommunalpolitiker:innen noch auf dem letzten Platz. Hier zeigt sich die Wirkung eines vorbildlich und mitreißend voraus radelnden Bürgermeisters und das kooperative Miteinander im neu gewählten Gemeinderat. Wir sind begeistert – weiter so!

Alle STAdtradel-Ergebnisse gibt es hier.

Wie funktionieren Fahrradstraßen?

von Gerhard Hippmann für Unser Dorf heute mit Aktualisierungen

„Nichtmotorisierter Verkehr ist bevorzugt” lautet eines der Ziele des Leitbilds der Gemeinde Weßling. Mit der Eröffnung der ersten Fahrradstraße am 21. Juni wurde endlich ein deutlicher Fortschritt in diese Richtung erzielt. Die gesamte Schulstraße, das südliche Ende des Walchstadter Wegs und der Meilinger Weg werden dann mit dem Verkehrszeichen „Fahrradstraße” und dem Zusatzzeichen „Kraftfahrzeuge frei” beschildert. Damit ändern sich die Verkehrsregeln laut StVO wie folgt:

  1. Für alle Fahrzeuge gilt Tempo 30 als zulässige Höchstgeschwindigkeit.
  2. Das Nebeneinanderfahren mit Fahrrädern ist ausdrücklich erlaubt.
  3. Der Radverkehr darf weder gefährdet noch behindert werden. Wenn nötig, muss der Kfz-Verkehr die Geschwindigkeit weiter verringern.

Alle anderen Verkehrsregeln ändern sich durch die Erklärung zur Fahrradstraße nicht. Insbesondere gilt weiterhin das Rechtsfahrgebot, und Kraftfahrzeuge dürfen Radfahrende überholen, wenn sie dabei den seitlichen Sicherheitsabstand von 1,5 Metern und Tempo 30 einhalten. Unverändert bleiben außerdem Parkflächen sowie Vorfahrtsregelungen an Einmündungen und Kreuzungen. Allerdings wurde die Vorfahrt an der Kreuzung mit der Grünsinker Straße bereits geändert, und bei Eröffnung der Fahrradstraße wurden auch die Regelungen an den beiden Einmündungen in den Walchstadter Weg angepasst, sodass der Radverkehr Vorfahrt genießt.

Verlauf der ersten Weßlinger Fahrradstraße mit geänderten Vorfahrtsregelungen

In Fahrradstraßen ist die Fahrbahn in erster Linie zum Radeln da. Kraftfahrzeuge spielen nur eine Nebenrolle. Sie sind verpflichtet, ihre Geschwindigkeit zu verringern und besonders rücksichtsvoll zu fahren. So machen Fahrradstraßen das Radeln sicherer und attraktiver. Gleichzeitig entschleunigen und verringern sie den Kfz-Verkehr, sodass die Lebensqualität steigt und die Umweltbelastung sinkt.

Um unserem Leitbild durch Fahrradstraßen näher zu kommen, müssen alle Verkehrsteilnehmer nicht nur die Verkehrsregeln kennen, sondern auch bewusst und uneigennützig umsetzen. Helfen Sie mit, die neue Fahrradstraße zum Erfolgsmodell zu machen!

Verkehrswende in Zeitlupe

Die Änderung der Vorfahrtsregelung Schulstraße/Grünsinker Straße ist ein Vorbote der Widmung zur Fahrradstraße – und der einzige Verkehrswende-Fortschritt in der Gemeinde seit mehr als einem Jahr.

Als sich die Mobilitätswende Weßling im Herbst 2012 formierte, waren die Begriffe Verkehrswende und Mobilitätswende noch weitgehend unbekannt. Heute ist das Thema ein Dauerbrenner in den Medien. Durch diskursprägende Bewegungen wie Fridays for Future oder Extinction Rebellion hat sich der Trend in den vergangenen Monaten weiter verstärkt. Immer mehr Menschen wird bewusst, dass ein weiter so – insbesondere im Mobilitätsbereich – unmöglich ist und die Weichen so schnell wie möglich auf Nachhaltigkeit gestellt werden müssen. Denn der gigantische Ressourcenbedarf, die desaströse Natur- und Umweltbelastung, aber auch die fortschreitende Entwertung des öffentlichen Raums durch massenhafte Kfz-Nutzung sind nicht länger verantwortbar.

Die heutige Situation wurde verursacht durch die große Politik auf Bundes- und Landesebene, in der sich nach wie vor alles und jeder dem Streben nach unendlichem Wirtschaftswachstum unterordnen muss und Konzerninteressen mit höchster Priorität behandelt werden. Das immer wieder offenkundig absurde Agieren des Bundesverkehrsministers in den letzten Monaten lässt weiterhin nicht erwarten, dass sich daran etwas Wesentliches ändern wird. Deshalb kann die Verkehrswende nur auf kommunaler Ebene und durch Verhaltensänderungen von Bürgerinnen und Bürgern Wirklichkeit werden. Die lebenswertesten Metropolen wie Kopenhagen oder Wien führen dies bereits eindrucksvoll vor, aber auch in Berlin und München bewegt sich mittlerweile viel in Richtung nachhaltige Mobilität.

Gebrauchtwagenschau beim Grünsinker Fest: Die Gemeinde lädt weiterhin zur Autonutzung ein.

Wie geht unsere Gemeinde mit dieser Verantwortung um? Rückmeldungen der Bürgerinnen und Bürger und Entscheidungen des Gemeinderats stimmen zunehmend hoffnungsvoll. Aber Bürgermeister und Verwaltung fehlen häufig das Verständnis und die Kompetenz, um Maßnahmen im Sinne der Verkehrswende mit der gebotenen Priorität aufzugreifen und umzusetzen. Dabei werden gerne Bedenkenträger aus gleichermaßen rückwärtsgewandten Behörden wie Landratsamt, Straßenbauamt oder Verkehrspolizei ins Feld geführt.

So kommt es, dass einige der vor einem Jahr hier präsentierten Maßnahmen immer noch nicht realisiert wurden: Die am 23. Januar 2018 vom Gemeinderat beschlossene Einrichtung der Fahrradstraßen steht weiterhin aus. Obwohl für die Erneuerung der Fahrradabstellanlagen am Bahnhof seit etwa einem Jahr aufwändig erarbeitete Konzeptplanungen und umfangreiches Knowhow zur Umsetzung und Förderung vorliegen, sind in diesem Projekt keine Fortschritte erkennbar, und Weßling wird schon bald der letzte S-Bahnhof der südwestlichen S8 mit völlig veralteten Radlständern sein. Und auch die am 23. Oktober 2018 beschlossene Erweiterung der Fahrrad- und Rollerabstellanlage am Schulhaus Weßling steckt noch immer in der Verwaltung fest. In anderen Kommunen unserer Region geht das deutlich einfacher und schneller.

Notwendig ist eine allgemeine Verkehrswende, die Umweltschützer seit mindestens vier Jahrzehnten fordern, weg vom Auto als individuellem Massentransportmittel hin zum Fahrrad, zu Bus, Tram und Bahn, um Ressourcen und Flächen zu sparen und das Klima zu retten. Dazu muss der individuelle Autoverkehr massiv zurückgedrängt und beschränkt werden schreibt Peter Bierl in der Süddeutschen Zeitung. Es ist höchste Zeit, den Zeitlupenmodus zu verlassen und den Weg für nachhaltige Mobilität in der Gemeinde Weßling frei zu machen!

Park-Platz statt Parkplatz

Foto: VCD Jena


Die Umverteilung von Flächen im öffentlichen Raum zählt zu den dringensten Maßnahmen der anstehenden Mobilitätswende. Mit der Aktionsserie Park-Platz statt Parkplatz macht das Aktionsbündnis Verkehrswende STA die Flächenverteilung des ruhenden Verkehrs zum Thema.

In urbanen Räumen, welche es auch in den Ortszentren der größeren Kommunen im Landkreis STA gibt, steht ein unverhältnismäßig großer Teil des knappen Raums für das Parken von Pkw zur Verfügung. Diese autogerechte Ortsgestaltung wird noch immer von Einzelhändlern vehement eingefordert und von der Kommunalpolitik wie selbstverständlich umgesetzt.

Urbane Räume sind jedoch für Menschen da. Die Aufenthaltsqualität im Straßenraum entscheidet darüber, ob sich Bürgerinnen und Bürger wohl fühlen oder möglichst das Weite suchen. Attraktive Ortszentren und ein großzügiges Kfz-Stellplatzangebot schließen sich aus. Mit Kraftfahrzeugen zugestellte Parkstreifen zerstören zuverlässig das Ortsbild und verhindern für Menschen, Tiere und Mikroklima bedeutsame Grünflächen.

Wie am weltweiten Park(ing) Day demonstrieren wir in mehreren Landkreiskommunen die Nutzung von zentral gelegenen Parkplätzen als öffentlichen Lebensraum. Wir laden alle sympathisierenden und interessierten Menschen ein, sich zu beteiligen und mit Park-Platz statt Parkplatz ein Zeichen für eine zeitgemäße und faire Verteilung des Verkehrsraums zu setzen.

Weitere Infos gibt es hier.

Radltag im Seehäusl

Die Nachbarschaftshilfe Weßling lädt ein zum Radltag im Seehäusl am Samstag, 6. April von 10 bis 12 Uhr. Die Gäste erwartet ein buntes Angebot rund um das energieeffizienteste und emissionsfreie Verkehrsmittel.

Ein Flohmarkt bietet die Möglichkeit, gebrauchte, nicht motorisierte Fahrzeuge anzubieten oder zu erwerben. Ehrenamtliche Reparateure der Radl Werkstatt stehen mit Rat und Tat für kleinere Reparaturen zur Verfügung. Außerdem werden Einweisungen und Probefahrten für das Lastenpedelec LaRa 1 angeboten. Weitere Infos gibt es hier.

Die Mobilitätswende und die Radl Werkstatt unterstützen die Aktion sehr gerne und hoffen auf viel Zuspruch, sodass sich der Radltag zur regelmäßigen Veranstaltung entwickeln kann.

Die Rückeroberung der Straßen in Weßling

von Gerhard Hippmann für Unser Dorf heute

Seit es Straßen und Plätze in Ortschaften gab, dienten sie als Orte der Begegnung. Der von und für Menschen geschaffene Straßenraum wurde nicht nur zum Gehen und Fahren genutzt, sondern selbstverständlich auch zum Verweilen, für ausgedehnte Gespräche und als Spielplatz für Kinder.

Mit der politisch bis heute massiv geförderten Verfügbarkeit von Kraftfahrzeugen änderte sich die Funktion des Straßenraums innerhalb weniger Jahrzehnte grundlegend. Fußgänger und Radfahrer wurden an den Rand verbannt, und freier Fahrt für freie Kraftfahrer wurde höchste Priorität eingeräumt. Doch diese Entwicklung des öffentlichen Raums zur missgestalteten Todeszone wird von immer mehr Menschen zu Recht in Frage gestellt. Der sich langsam aber sicher durchsetzende Trend zur Rückeroberung der Straßen als Lebensraum wird von Metropolen mit höchster Lebensqualität wie Kopenhagen oder Wien angeführt und ermutigt Kommunen auf der ganzen Welt, die unerträglich gewordenen Gefährdungen und Belästigungen durch hemmungslose Automobilität nicht länger zu akzeptieren.

Auch in unserer Gemeinde hat die Rückeroberung der Straßen längst begonnen. Im Leitbild (Entwicklungsleitlinie 6.1) steht dazu klar und deutlich „nichtmotorisierter Verkehr ist bevorzugt”. Die Umfahrungsstraße wurde mit dem Ziel errichtet, die Hauptstraße als menschlichen Lebensraum zurück zu gewinnen. Außerdem wurde in vielen Gemeindestraßen Tempo 30 angeordnet, um Sicherheit und Aufenthaltsqualität zu verbessern.

Verkehrsberuhigte Bereiche machen Wohnstraßen zu Lebensraum

In Wohnstraßen ermöglicht die StVO mit Verkehrsberuhigten Bereichen (häufig „Spielstraßen” genannt) noch wesentlich weiter gehende Maßnahmen, die der ursprünglichen, menschenfreundlichen Nutzung von Straßen sehr nahe kommen: Hier dürfen sich Fußgänger auf der gesamten Fahrbahnbreite aufhalten und haben Vorrang gegenüber Fahrzeugen, Kinderspiele sind erlaubt, und Schrittgeschwindigkeit darf nicht überschritten werden. Von dieser großartigen Möglichkeit wurde in Weßling bereits im Höhenrainäcker und in Herbststraße/Winterweg Gebrauch gemacht.

Auch die im Januar vom Gemeinderat einstimmig beschlossene Einrichtung zweier Fahrradstraßen belegt eindrucksvoll die Rückeroberung der Straßen in unserer Gemeinde. Denn zweifellos wäre Vorrang für den Radverkehr auf zwei strategisch wichtigen Ortsstraßenzügen noch vor wenigen Jahren nicht mehrheitsfähig gewesen.

Internationales Critical Mass Symbol: Bike fist

Bei fünf Critical-Mass-Aktionen haben in diesem Jahr erstmalig Bürgerinnen und Bürger aus unserer Gemeinde initiativ die Straßen zurück erobert. Critical Mass wurde 1992 in San Francisco erfunden. Seither treffen sich weltweit in vielen Städten monatlich Radler zu gemeinsamen Touren durch ihren Ort und demonstrieren damit für die gleichberechtigte Nutzung des Straßenraums. Hierbei fahren sie gemäß StVO ab 16 Teilnehmern im geschlossenen Verband nebeneinander und gelten somit als ein Fahrzeug.

Mit 29 bis 90 Radlerinnen und Radlern jeden Alters war die Beteiligung ausgesprochen hoch – und die Stimmung freudig und entspannt. Dabei entfaltete die Aktion ihre positive Wirkung weniger durch die Entschleunigung des Kraftverkehrs, sondern viel mehr durch ihren solidarischen und kommunikativen Charakter, der das Bewusstsein für die Rückeroberung der Straßen wirkungsvoll fördert. Wir sind gespannt, ob es im nächsten Jahr wieder Critical Mass in Weßling geben wird…